Fast 1000 Jahre Musikgeschichte vereint Garth Knox auf seiner neuen CD "Saltarello" - nicht nur in der Auswahl der Werke, sondern auch durch die Instrumentierung. Neben der Bratsche spielt er die Viola d'Amore und eine mittelalterliche Fidel. Auf die Idee, hier werde Historismus betrieben, wird bei dem irischen Musiker und Komponisten dennoch niemand verfallen: Dafür kommt Garth Knox viel zu eigenständig daher.
Als Bindeklammer der CD dienen zwei Stücke, die von Knox' keltischen Wurzeln inspiriert sind. Und schon beim Auftakt zeigt der Künstler, dass ihm mehr an neuen musikalischen Verbindungen gelegen ist als an Originaltreue: "Black Brittany" ist die Quersumme aus dem Traditional "Black is the Colour of my True Love's Hair" und Johnny Cunninghams Hit "Leaving Brittany" - in einer betörenden Fassung für Violoncello und Viola d'Amore. Die Viola d'Amore ist wie die Bratsche ein Streichinstrument in Altlage, hat jedoch sieben Hauptsaiten und sieben weitere Saiten, die in der Oktave mitschwingen.
Die gleiche instrumentale Kombination - mit der Cellistin Agnès Vesperman - hat Garth Knox auch gewählt, um Werke von Dowland, Henry Purcell und Antonio Vivaldi zu interpretieren (16. bis 18. Jahrhundert). Besonders bei Vivaldi erhält man so einen ganz und gar ungewohnten Eindruck, da es sich eigentlich nicht um ein kammermusikalisches Stück, sondern um ein Concerto handelt. Der in der keltischen Folklore häufig verwendete Kunstgriff, zwei verschiedene Stücke ineinanderfließen zu lassen, führt im Mittelteil der CD zu einem erstaunlichen Hörerlebnis, wenn Stücke Hildegard von Bingens (11. Jahrhundert) und Guillaume de Machauts (14. Jahrhundert) miteinander verschmelzen; diesmal umgesetzt mit Fidel und Perkussion (Sylvain Lemêtre).
Am faszinierendsten aber sind Knox' Solostücke. Zunächst das von ihm selbst komponierte "Fuga libre" mit seinen irisierenden Flageolett-Linien über beharrlichen Bordunklängen der tiefen Saite; gespielt auf einer Bratsche - was man kaum glauben mag.
Und dann das zweiteilige "Vent nocturne" des finnischen Komponisten Kaija Saariaho. Der Titel ist Programm: Das Ziehen des Bogens über die Saiten und der menschliche Atem werden elektronisch verfremdet und schaffen der Bratsche eine Wind-Grundierung, über die sich ein Tuch schlafloser Nachtgedanken ausbreitet. Erneut wagt Garth Knox dabei das Ungewöhnliche, indem er ein Renaissance-Werk zwischen die beiden Teile einspannt. Eine Platte für Musikfans mit Lust auf neue Entdeckungen.
Garth Knox: Saltarello. Mit Agnès Vesterman und Sylvain Lemêtre. ECM New Series 2157.
Ralf Neite