Honig und PowerPoint

Die kleine protestantische Kirche in Slowenien wagt neue Wege
Reformator und Verschriftlicher der slowenischen Sprache - Primus Truber. Foto: Wolfgang Ziegler
Reformator und Verschriftlicher der slowenischen Sprache - Primus Truber. Foto: Wolfgang Ziegler
Die Slowenen gelten als EU-Musterschüler in Mittel- und Osteuropa. Protestanten sind hier eine winzige Minderheit. Aus Slowenien kommt in diesem Jahr die Liturgie für den Weltgebetstag der Frauen, der am 1. März begangen wird. Petra Ziegler hat eine lebendige protestantische Kirche besucht.

Nicht einmal ein Prozent der Slowenen ist evangelisch. Doch wer sich Ende Oktober in Ljubljana, der Hauptstadt Sloweniens, aufhält, könnte meinen, der Protestantismus sei in Slowenien eine Staatsreligion. Wegen des Reformators Primus Truber gibt es in jedem Jahr einen politischen Staatsakt im Parlament. Am 31. Oktober, dem Reformationstag, stehen TV-Übertragungswagen rund um die protestantische Primus-Truber-Kirche. Dann nämlich wird der Gottesdienst zum Reformationstag im Fernsehen übertragen. Und Slowenien ist der einzige Staat in Europa, in dem der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag ist.

Zu verdanken ist all das Primus Truber, der von 1508 bis 1586 lebte. Truber (slowenisch: Primož Trubar) war im 16. Jahrhundert zuerst Superintendent von Ljubljana (früher: Laibach). Weil Truber jedoch ein Anhänger Martin Luthers war, wurde er 1547 vom Bischof des Herzogtums Krain exkommuniziert. Truber floh und ließ sich in Württemberg nieder.

Dort begann er mit der Verschriftlichung der slowenischen Sprache. Zunächst übersetzte er 1550 Luthers Katechismus und ein Abecedarium ins Slowenische. Die Slowenen haben nie vergessen, dass sie ihre Sprache Primus Truber verdanken. Deshalb der Staatsakt und der Feiertag. Trubers Schüler Jurij Dalmatin übersetzte 1584 die Bibel ins Slowenische. Doch legal nach Slowenien eingeführt werden durften die Bibeln damals nicht. Also wurden sie in Weinfässern versteckt nach Slowenien geschmuggelt. Heute muss man Bibeln nicht mehr illegal einführen.

Aber die Menschen dort fragen nur noch selten nach ihnen. Geza Filo, Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Slowenien, formuliert das dipolomatisch: „Meines Erachtens fehlt bei uns manchmal eine positive Haltung zur Religion.“ Das liege nicht zuletzt auch an der sehr konservativen katholischen Kirche. „Deshalb sind Teile der Bevölkerung im Prinzip gegen Kirche, ob katholisch oder evangelisch, das spielt dann keine Rolle mehr.“

Dabei sind in Slowenien formal gesehen Staat und Kirche streng getrennt. Es gibt zum Beispiel keinen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Er findet ausschließlich in kirchlichen Räumen statt. Dennoch hat die katholische Kirche einen großen Einfluss. Und das, obwohl Slowenien ein ausgesprochen säkulares Land ist - „säkularer noch als Ungarn und die Slowakei“, meint Geza Filo.

Wie konservativ die katholische Kirche ist, zeigte sich vor vier Jahren. Anfang 2015 hatte es das slowenische Parlament gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, zu heiraten und Kinder zu adoptieren. Doch die damals konservative Opposition und die katholische Kirche waren dagegen und erzwangen noch im selben Jahr eine erneute Abstimmung darüber. Die Homo-Ehe wurde wieder rückgängig gemacht.

Das größte Problem der kleinen evangelischen Kirche in Slowenien ist das Bekanntwerden in der Gesellschaft. Am ehesten möglich ist das in der Prekmurje, im Nordosten des Landes, nahe der Grenze zu Österreich und Ungarn. Dort leben die meisten der 15.000 evangelischen Slowenen.

Zwei Pfarrer gehen dort völlig unterschiedliche Wege, um ihre Gemeinden attraktiv zu machen. Und beide sind erfolgreich. Der eine ist Simon Sever, Pfarrer in Bodonci. Das Dorf hat 400 Einwohner, doch die 1792 erbaute Kirche ist riesig.

Simon Sever verbindet seit Jahren seine Seelsorge mit einer besonderen Leidenschaft - mit der für Bienen. Schon als Kind hatte er den Wunsch, Bienen zu halten. 2004 kam Sever dann zuerst als Vikar nach Bodonci. Und dort ging für ihn ein Traum in Erfüllung. Er wurde Imker - mit Hilfe „meines Imker-Mentors Jože Kuhar“. Der Honig hat Pfarrer Sever längst zum „Bienenpfarrer“ gemacht. 30 Bienenstöcke hat Sever. Seine Spezialität ist Akazienhonig („sehr flüssig und sehr klar“). Zum Imkerkreis der Kirchengemeinde gehören auch sechs bis acht Jugendliche. Manchmal predigt der Pfarrer über Honig. Denn von den Bienen kann man eine Menge lernen: „Eine Bienenfamilie ist nur dann erfolgreich, wenn jedes Mitglied mitarbeitet. So ist das im wirklichen Leben auch.“

Das Imkern ist mehr als das Hobby des Pfarrers. Zum einen macht Simon Sever die Beobachtung: Die Kirche gerät immer mehr ins Abseits. Das heißt, ein guter Gottesdienst allein genügt nicht. Man muss Menschen anders ansprechen, ihnen entgegenkommen. Das gelingt Simon Sever mit der Imkerei.

Perfektionisten am Werk

Der Honig ist für Sever zudem ein Beispiel für seine Maxime „Schöpfung bewahren“. Er setzt auf nachhaltige Landwirtschaft. „Wir haben unsere einheimischen Produkte fast vergessen.“ Simon Sever macht deshalb nicht nur Honig, sondern auch Schinken, Salami und seit zwei Jahren auch Käse aus Kuhmilch.

Das kann Sever natürlich nicht alles alleine machen. Schließlich ist er in erster Linie Pfarrer für 1.400 Gemeindeglieder und hält Gottesdienste in zehn Dörfern. Jeden Sonntag in einer anderen Kirche. „Ohne Ehrenamtliche geht es nicht.“ Doch für die verschiedenen Projekte bekommt er auch immer wieder freiwillige Helfer. Die Landwirtschaftsprojekte kommen gut an. Das Wissen der Alten wird auf diese Weise an die Jungen weitergegeben. In der Region gibt es Bauernhöfe. Mais und Kürbis werden angebaut, es gibt Schweine und Kühe. Projekte wie die von Pfarrer Sever sind in der Region wichtig, denn den Wirtschaftsprognosen zufolge existiert jeder vierte Bauernhof in zehn Jahren nicht mehr.

Das zweite Beispiel für eine lebendige evangelische Gemeindearbeit ist die von Leon Novak. Er ist Pfarrer in Murska Sobota, einer 19.000 Einwohner zählenden Stadt in der Prekmurje. Seine Gemeinde ist modern. Kurz vor Gottesdienstbeginn prüfen im Altarraum junge Leute Mikrofon, Beamer und Notebook. Die Musikband stimmt auf der Empore ihre Instrumente.

Pfarrer Novak kommt kurz ans Lesepult und ruft seine PowerPoint-Folien auf. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Alles ist durchdacht. Musik, Gebete, Predigt. Die Gottesdienstbesucher können sich aufs Beten, Singen und Zuhören konzentrieren. Hier sind Perfektionisten am Werk.

Das Geistliche ist Novak wichtig, aber ein Gottesdienst soll auch Freude machen. An einem normalen Sonntagmorgen kommen um die 200 Frauen, Männer und Kinder in den Gottesdienst. Direkt danach gibt es eine Teamsitzung. „Alles gute Leute“, sagt Leon Novak.

Aber wie kommt eine Kirchengemeinde mit 2.000 Mitgliedern zu einem so professionellen Team? Leon Novak hat seine Grundsätze. Ein Grundsatz ist: „Man muss zuerst in Menschen investieren, nicht in Immobilien.“ Ein anderer Grundsatz: suchen, suchen, suchen. Mit Mittelmaß gibt sich Pfarrer Novak nicht zufrieden. Und noch ein Grundsatz: „Die Mitarbeiter müssen zu uns passen.“

Seit 27 Jahren ist Novak Pfarrer in Murska Sobota. Seine Erfahrung: Wenn man Gemeinde bauen will, dann muss man unkonventionell sein. „Man kommt nur weiter, wenn man starre Strukturen aufbricht“, davon ist Leon Novak überzeugt. Etwa neue Lieder singt und einen Familiengottesdienst etabliert. Die Musik ist ein entscheidender Faktor beim Gemeindeaufbau. Über die Musik etwa ist Marjan Fari? zur Gemeinde gekommen. Dem Saxophonisten ging es zunächst wirklich nur um die Musik. Aber dann haben ihm immer mehr die Predigten von Pfarrer Leon Novak gefallen. Seit eineinhalb Jahren geht Fari? in den Taufunterricht. „Jetzt warte ich auf die Taufe“, sagt er.

Pfarrer Novak verlangt von seinen auch ehrenamtlichen Mitarbeitern viel, ebenso wie von seiner Gemeinde. Mit den 35 Euro Jahresbeitrag pro Gemeindeglied und Jahr kommt Novak nicht hin. In einer Art Beitrittserklärung legt jeder selber fest, wie viel er geben will. Damit verbunden ist indirekt auch ein Bekenntnis zur Gemeinde. „Bedeutet mir meine Kirchengemeinde so viel, dass ich etwas spende?“

Für Pfarrer Novak war das auch ein Risiko. Es hätte ja auch sein können, dass das mit der Verpflichtung nicht funktioniert. Doch der Theologe ging das Projekt mutig an. Und er kann das auch biblisch begründen. „Gefällt es euch aber nicht, dem Herrn zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter gedient haben, oder den Göttern der Amoriter. Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ So steht es in Josua 24,15.

Die Bibel ist für Novak grundlegend. „Wenn man nicht in der Bibel liest, hat man wenig.“ In der Bibelarbeit gebe es noch Defizite. Dabei gehöre das sola scriptura zu den reformatorischen Prinzipien. Die Bibel als Fundament ist das eine. Was Formate und Zeiten angeht, da ist Novak flexibel. Sein Credo: Kirche muss zu den Menschen kommen. Das heißt in der Praxis: „Wir müssen uns an den Lebensrhythmus der Menschen anpassen. Deshalb überlegen wir, ob wir am Sonntag nicht am Abend einen Gottesdienst anbieten.“ Morgens sind viele Familien gern unter sich und frühstücken ausgiebig, am Abend haben sie Zeit.

Die Frauenpfarrerin der kleinen evangelischen Kirche Sloweniens, Simona Prosi? Filip, lebt und arbeitet in Gornji Slave?i. Ein Ort auf dem Land, ein Ort mit ein paar Häusern, typisch für die Prekmurje.

Simona, wie die Pfarrerin von den meisten Frauen genannt wird, ist seit 2007 Referentin für Frauenarbeit. 2012 hat die Kirche dann einen Frauenverband gegründet. Nicht, weil ein Verband zur Kirchenstruktur dazu gehört, so wie in Deutschland jede Landeskirche ein Frauenwerk, eine Frauenarbeit oder etwas Vergleichbares hat, sondern „wir haben das wegen des Staates gemacht“. Egal ob Kirche oder Handball-Club: „Nur als Verband haben wir die Möglichkeit, für kulturelle Projekte Geld zu bekommen.“ Das wiederum heißt, dass der Frauenverband zum Beispiel Arbeitslose beschäftigen kann. Den Großteil des Gehaltes zahlt der Staat. Der Frauenverband muss dann nur noch 15 Prozent der Gehaltskosten selber bezahlen.

Blühende Frauenarbeit

Simona Prosi? Filip liebt ihre Arbeit. In jeder Gemeinde gibt es einen Frauenkreis. Die Pfarrerin bietet Seminare und Bibelarbeiten an. 2013 war es zum ersten Mal ein dreitägiges Seminar. Die drei Tage sind wichtig, denn so haben die Frauen Zeit, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu stärken. Seither findet jedes Jahr ein mehrtägiges Seminar zu Glaubensfragen statt.

Vor allem von der Zuverlässigkeit der Frauen ist Simona begeistert. Wenn es darum geht, einen Basar auf die Beine zu stellen, heißt es oft: „Die Frauen von der Simona werden es schon machen!“ Simona lacht, als sie das erzählt. Ist sie auch stolz darauf? Sie antwortet nicht, lacht lieber noch einmal.

In der Frauenarbeit geht Simona neue Wege. 2017 fand zum ersten Mal ein Seminar für Frauen aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien statt. Auf diese Weise sollten die alten Verbindungen, die mit dem Jugoslawien-Krieg gekappt waren, wieder neu geknüpft und gestärkt werden.

Mit den Frauen macht Simona Bibelarbeiten, aber auch Bibliodramen. Nicht weil es modern ist, auch nicht, weil sie unbedingt psychologisieren will. Der Grund ist ganz einfach: Die Pfarrerin möchte, dass die Frauen sich selber mehr wertschätzen. Im Unterschied zum Bibeltheater will das Bibliodrama nicht einfach einen Bibeltext nachspielen, sondern man oder frau soll sich in Petrus, Marta oder in Mirjam hineinversetzen.

Die Frauen in der Prekmurje haben alle hart gearbeitet. Viele waren Gastarbeiterinnen in Vorarlberg oder in der Steiermark. Im Ruhestand kommen sie in ihre Heimat und damit oft auch in die Kirche zurück. Dort treffen Gastarbeiterinnen auf Gastarbeiterinnen. Sie haben sich viel zu erzählen, und sie können miteinander schweigen, etwa wenn sie gemeinsam Adventsschmuck basteln.

Die Pfarrerin spricht fließend und vor allem schnell Deutsch. Kein Wunder, sagt sie und lacht: „Ich bin in Ludwigsburg geboren - als Kind von Gastarbeitern.“ Aber richtig zu Hause ist sie in der Prekmurje. Auf ihre Kirche ist sie stolz. Gute Leute und gute Projekte habe sie, und die Kirche habe, obwohl sie klein ist, eine sehr gute Position im Land. „Es liegt an uns, dass wir das auch nutzen.“

Das werden die Frauen auch tun, unter anderem mit ihrer Weltgebetstagsliturgie, die 2019 unter dem Motto steht: „Kommt, alles ist bereit!“

Petra Ziegler

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