Rilke-Editionen von Das Stundenbuch, das aus drei Büchern besteht, gibt es zuhauf. Doch die im Gütersloher Verlagshaus neu erschienene Ausgabe des zweiten Buches ist besonders: Alle 34 Texte finden sich - von Gotthard Fermor gelesen - auf zwei Hör-CDs, die dem Buch beiliegen.
Und während der Leser im großformatigen Buch neben den Rilke-Texten Hintergrundinformationen und Bezüge zu dessen Gesamtwerk vom Bochumer Theologieprofessor und Rilkeforscher Mark S. Burrows bekommt, kann er die gesprochenen Texte, die Rainer Maria Rilke zunächst als „Westerwede Gebete“ bezeichnete, klingen hören. Rilke, Beter und Dichter in einem, begibt sich auf eine innere Reise, auf eine Suche nach Gott. Wer ist dieser Gott, den Rilke in diesen Texten als „Du Erlauchter“, „Du Einziger“ anspricht?
Gebannt lauscht der Hörer dem Dialog zwischen dem Ich und seinem Gegenüber. Fermor rezitiert sehr gleichmäßig und ruhig die manchmal sehr eigenwilligen Sprachbilder Rilkes und seinen religiösen Stil. Die unaufgeregte, fast sanfte Sprachmelodie der Texte trägt den Hörer durch Rilkes Gedanken. Dieser schuf diese Texte 1901 nach seiner ersten Russlandreise mit Lou Andreas-Salomé, unter dem Eindruck des Besuches der russisch-orthodoxen Kirchen. Gerade im Hören der gesprochenen Texte entfaltet sich noch stärker ihre „eigenen Musikalität“.
Im Wechsel mit den gesprochenen Texten folgen musikalische Variationen von Klavier (Josef Marschall) und Saxophon (Jürgen Hiekel), komponiert von Josef Marschall. Die Gedichte finden mit dieser zweiten Ebene eine eindrucksvolle Entsprechung.
Kathrin Jütte
Kathrin Jütte
Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.