Schöpfer sehr wahrscheinlich

Matthias Schleiff bringt in seiner Promotion Kosmologie und Theologie zusammen
Foto: Andreas Schoelzel
Foto: Andreas Schoelzel
Viele meinen, Theologie und Naturwissenschaft hätten nichts miteinander zu tun. Der Systematische Theologe Matthias Schleiff, zurzeit Referendar in Hamm, findet gute Gründe, warum das Universum einen Schöpfer hat.

Eigentlich sind Philosophie und Latein meine Hauptfächer. Das Studium der Theologie habe ist erst später als drittes Fach im Lehramtsstudium aufgenommen. Der Weg dahin war zwar nicht weit, denn meine beiden Eltern sind Pfarrer; ins Pfarramt wollte ich dennoch nicht gehen, weil ich früh erlebt habe, dass dieser Beruf eine Aufgabe für die ganze Familie ist. Dass ich dann doch noch Theologie studiert habe, liegt auch daran, dass ich mich immer schon für die ganz großen Fragen interessiert habe, bei denen es um „Gott und die Welt“ geht, wie man so schön sagt. In meinem Studium habe ich mich stets als eine Art Grenzgänger zwischen den Fächern empfunden: In der Philosophie galt mein Interesse der Wissenschaftstheorie und Religionsphilosophie, in der Theologie den Schnittstellen zur Philosophie und zur Naturwissenschaft.

Auch das Thema meiner Doktorarbeit bewegt sich zwischen diesen Disziplinen. Worum es mir in meiner Arbeit geht, kann ich zunächst einmal sehr grundsätzlich erklären: Viele Menschen glauben ja, dass man sich mit einem naturwissenschaftlichen Denken von der Gottesfrage entfernt. Und auch bei Theologen scheint mir das Gerücht verbreitet, dass mit dem modernen Denken das Zeitalter der Gottesbeweise endgültig vorbei sei. Man könnte sagen, dass ich mit meiner Arbeit einen Beitrag dazu leisten möchte, diesem Gerücht entgegenzutreten. Gerade in der Denkweise eines klassischen Gottesbeweises habe ich ein Beispiel dafür gefunden, wie Erkenntnisse der Naturwissenschaften zurück zur Gottesfrage führen können. Der Gottesbeweis, auf den ich mich dabei beziehe, ist das so genannte teleologische Argument. Es schließt von der Ordnung in der Welt auf einen ersten Ordner. In einer solchen Weise hat schon der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin für die Existenz Gottes argumentiert: Ich stelle mir vor, wie er mit bloßem Auge die Bewegung der Sterne am Himmel beobachtete, ihre Harmonie bewunderte und aus dieser kosmischen Ordnung auf die Existenz eines Schöpfers schloss. Die Griechen haben das Universum ja nicht zu Unrecht „Kosmos“ genannt, ein Begriff, der dem Wortsinne nach Ordnung und Harmonie bedeutet.

Wenn man genau hinschaut, sieht man schnell, dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaften ein solches Argument nicht schlechter, sondern immer besser machen, denn gerade in den Naturwissenschaften ist man ja bestrebt, Ordnungen immer genauer zu beschreiben und sie dann möglichst in eine Regel, ein Gesetz oder eine mathematische Formel zu fassen. Was Thomas mit bloßem Auge gesehen hat - dafür finden die Naturwissenschaftler mit ihren Instrumenten heute immer eindrucksvollere Belege. Jede Formel der Wissenschaft ist ein Ausdruck für die geordnete Harmonie natürlicher Abläufe.

Diese Denkerfahrungen haben mich auf den Grundgedanken meiner Dissertation gebracht. Und ich war froh, als ich ein Stipendium bekam, das es mir erlaubte, mich mit diesem Gedanken weiter zu beschäftigen.

Und tatsächlich formuliere ich in meiner Arbeit nun ein Argument für die Existenz eines Schöpfers dieser Welt - wobei ich bewusst nicht von einem „Beweis“, sondern nur von einem „Argument“ spreche. Es ist ein Schöpfungsargument, das die Annahme eines Schöpfers vernünftig und plausibel erscheinen lässt. Die Form des Arguments, die ich dabei wähle, ist die eines Schlusses auf die beste Erklärung. Sie hat Ähnlichkeit mit der Denkweise eines Richters, der einen Täter durch Indizien überführt. Ich kann mich auf den heutigen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung beziehen, die im Vergleich zum Weltbild des Thomas natürlich gewaltig vorangekommen ist. Und da habe ich in der physikalischen Kosmologie ein Phänomen ausgemacht, das Physiker wie Stephen Hawking selbst „Feinabstimmung“ nennen. Der Begriff Feinabstimmung steht für folgende Beobachtung: Wenn dieser Kosmos in seinen grundlegenden Eigenschaften nur minimal anders verfasst wäre, dann wäre Leben in ihm nicht möglich, zumindest kein Leben mit Bewusstsein. Ein Beispiel dafür ist das Maß der Schwerkraft: Wäre sie nur minimal stärker, dann wäre kein Lebewesen größer als eine Ameise. Lebewesen wie wir, die sich die Frage nach ihrer eigenen Herkunft stellen können, gäbe es in einem solchen Kosmos sicher nicht.

Am Ende meiner gut 350-seitigen Arbeit fasse ich mein Argument aus der Feinabstimmung in drei Prämissen zusammen. Erstens: Das Phänomen der Feinabstimmung, das Leben ermöglicht, ist überraschend und bedarf einer Erklärung. Zweitens: Eine Schöpfungshypothese ist dafür eine Erklärung. Drittens: Diese Schöpfungshypothese ist besser als alle anderen Erklärungen. Daraus folgt der Schluss: Die Schöpfungshypothese ist eine vernünftige und rational akzeptable Erklärung für das physikalisch beobachtbare Phänomen der Feinabstimmung. Diesen Gedankengang entfalte ich in meiner Dissertation Schritt für Schritt. Für jede Prämisse gilt es dabei, gute Gründe zu finden.

Die größte Herausforderung in meiner Arbeit besteht wohl darin, die Prämisse zu untermauern, dass die Schöpfungshypothese die beste Erklärung ist, denn dazu muss ich mich natürlich auch mit allen anderen Erklärungen auseinandersetzen, die für das Phänomen der Feinabstimmung vorgebracht werden. Schon der Titel meiner Dissertation „Schöpfung, Zufall oder viele Universen?“ weist auf die verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten hin. Besonders intensiv widme ich mich der sogenannten Multiversumshypothese, die behauptet, dass es sehr sehr viele, vielleicht unendlich viele Universen gibt. Sie ist die naturwissenschaftliche Lieblingserklärung für das Phänomen der Feinabstimmung. Ihre Vertreter meinen: Wenn es unendlich viele Universen gibt, dann wird auch ein Universum wie das unsere schon dabei sein. Ich halte gerade das aber für ihr Problem: Weil man mit ihr eigentlich alles erklären könnte, wird sie als Erklärung wertlos. Mit dieser Hypothese schießt man - salopp gesagt - mit Kanonen auf Spatzen.

Mit meiner Arbeit liefere ich einen Beitrag, wie ein Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften funktionieren kann. Dabei zeige ich, dass es in dieser Welt Dinge gibt, die wir besser verstehen, wenn wir von der Existenz eines Schöpfers ausgehen.

Es geht mir dabei nicht zuletzt darum, dass wir uns ein Bild der Welt als ganzer bewahren. Auch dazu leistet meine Dissertation einen Beitrag, denn sie unterstreicht den Anspruch, dass auch die Theologie in einer Gesellschaft Platz hat, die sehr von den Naturwissenschaften bestimmt wird. Erhebt die Theologie diesen Anspruch nicht mehr, dann wird sie mehr und mehr zu einer Nebenwelt, beziehungsweise zu einem reinen Sprachspiel, das zwar intern interessant sein mag, das mit der echten Welt aber nichts zu tun hat. Damit kann und will ich mich nicht abfinden, und meine Arbeit liefert dafür gute Argumente.

Aufgezeichnet von Reinhard Mawick

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Matthias Schleiff

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