Die populistischen Bewegungen in Deutschland, Europa und anderswo müssen näher analysiert werden, um ihnen sachgerecht begegnen zu können. Dieser Aufgabe unterzieht sich Jan-Werner Müller, der Politische Theorie und Ideengeschichte an der Princeton Universty (USA) lehrt und einen aufschlussreichen Essay über Populismus geschrieben hat. In ihm beleuchtet er zugleich die Theorie wie auch die Praxis des Populismus der Gegenwart, um dann eine Orientierungshilfe zum „demokratischen Umgang mit Populisten“ zu geben.
Der Autor stellt klar heraus, dass Populismus sich nicht an einem bestimmten „Politikstil“ festmachen lässt, aber eine identifizierbare Logik besitzt. Sie ist antielitär und antipluralistisch und kommt nicht ohne moralisch aufgeladene Polarisierung aus. Der Populismus ist darum immer ein Schatten der Demokratie und wird es auch bleiben, solange Demokratie praktiziert wird, weil er sich antidemokratisch gebärdet. Wenn heute Pegida-Demonstranten rufen „Wir sind das Volk“, dann meinen sie „nur wir“ und keine anderen sind das Volk und schließen alle anderen aus.
Da diese Populisten nie die Wirklichkeit akzeptieren, „Das Volk tritt nur im Plural auf“, stilisieren sie einen symbolischen Volksbegriff, der von ihnen als einzig wahr herauspräpariert wird. Deshalb kann es für sie auch keine legale Opposition zu ihren Ansichten geben, weil allein sie die Wahrheit besitzen.
So vereinnahmen Populisten den Staat und begründen dies mit ihrer moralischen Selbstrechtfertigung. Ihnen geht es nicht um Partizipation wie in der Demokratie, sondern um ihre alleinige Repräsentation. Da aber solche populistischen Bewegungen auch in anderen Ländern mächtig werden, untersucht der Autor die Herrschaftstechniken des Populismus, die überall gleich sind: „Inbesitznahme des Staates, Klientilismus, Diskreditierung jeglicher Opposition“ und bestimmter Medien.
Wie aber soll man dieser Bewegung begegnen? Man soll sie nicht diskreditieren, sondern mit ihnen diskutieren - solange es möglich ist. In Fällen aber, wo Populisten Volksverhetzung betreiben, greift das angewendete Strafrecht. So aber sollen Populisten lernen, dass es in einer Demokratie nur das freie Mandat gibt, nicht aber ein imperatives Mandat der Moral. Daraus resultiert für den Autor die Herausforderung an alle: „Vor allem sollte man das Feld nicht Populisten überlassen, die so tun, als könnten sie das ursprüngliche Versprechen der Demokratie auf kollektive Autonomie einlösen. Sie können es nicht.“
Christoph Körner