Auf dem Cover des neuen Romans des Pariser Autors David Foenkinos schaut eine Frau den Betrachter eindringlich und skeptisch an. Es ist die jüdische Malerin Charlotte Salomon, geboren 1917 in Berlin, gestorben 1943 in Auschwitz. Foenkinos' Art, ihr Leben zu beschreiben, lässt den Leser zunächst genau diesen Blick von Charlotte einnehmen. Denn warum setzt der Text bei jedem Satz in einer neuen Zeile an? Lauter einzelne Aussagen, untereinander gereiht? Doch dann wird klar: Jeder Satz wird so zu einem Versuch, diesen schweren Beginn zu diesem bleischweren Leben noch einmal zu wagen. Es entwickelt sich ein Sog beim Lesen, der jede Skepsis fortreißt, und man ist froh, dass es diese vielen Endpunkte gibt auf jeder Seite, denn dann kann Luft geholt werden, und die ist nötig bei diesem Roman. Ihr Leben bestand vor allem aus Endpunkten. Ihre Familiengeschichte raubt einem gänzlich den Atem, denn in ihrer großen Familie herrschte der Tod, viele Mitglieder bringen sich selbst um, vor allem die Frauen, eine nach der anderen versinkt in grundloser Schwermut, stürzt sich aus dem Fenster oder versinkt im eisigen Fluss.
Es gelingt dem Autor, die Tragik zu vermitteln, die gerade darin liegt, dass sie mit ihren Bildern gegen die innere Todessehnsucht anmalte, sich selbst überwand, um dann von den Nazis getötet zu werden. Der Roman führt den Leser ganz nah an die Malerin heran, und man mag ihr nicht mehr von der Seite weichen – bis zum letzten Endpunkt.
David Foenkinos: Charlotte. Deutsche Verlagsanstalt, München 2015, 237 Seiten, Euro 17,99.
Tanja Reschke