Heiliger Johann Tetzel

Ein Punktum
Im Regensburger Schloss ging es um Wichtigeres, als um Bischöfe die eine "Rebellion gegen Gott” anzetteln.

"Die Kirche ist weltweit die einzige Anwältin der Armen. Ihr Ziel ist nicht die Angleichung Afrikas an den mondänen, nihilistischen, zynischen Lebensstil eines dem Glauben entfremdeten Europas und Nordamerikas", donnerte Kardinal Gerhard Müller (www.vatican.va). Schließlich sprach der Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation bei einer Veranstaltung im Regensburger Schloss der Familie Thurn und Taxis, die ein Milliardenvermögen besitzen soll.

Aber natürlich hatte der Kardinal nicht seine Gastgeberin im Visier. Denn sie tut sehr viel Gutes: So warnte Gloria von Thurn und Taxis in der "Welt" vor Katholiken, "die eine Protestantisierung wollen", und entlarvte "aus Kirchensteuern bezahlte Funktionäre, die gegen Rom stänkern". Außerdem ließ sie den hochwürdigen Herren, unter ihnen Georg Ratzinger, der Bruder des Altpapstes, nicht nur dreierlei Tatars und glacierte Milchkalbsschulter servieren, sondern zum Cognac auch Zigarren reichen.

Mit "mondänem Lebensstil" hat das gar nichts zu tun. Der ist den Thurn und Taxis' vollkommen fremd. Vielmehr soll mit dem Rauchopfer den Brasilianern und Sumatraern geholfen werden. "Die Kirche" ist schließlich "die einzige Anwältin der Armen".

Aber im Regensburger Schloss ging es um Wichtigeres, um Bischöfe die eine "Rebellion gegen Gott” anzetteln, indem sie Katholiken zum Abendmahl zulassen wollen, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben. Das hat der aus Afrika stammende Kardinal Robert Sarah der italienischen Zeitung "la Repubblica" gesagt. Um ihn und sein Buch "Gott oder sonst nichts" persönlich zu würdigen, war Kardinal Müller nach Regensburg gekommen.

Empfohlen wird das Werk auch von Altpapst Benedikt und seinem Sekretär Georg Gänswein, der das Vorwort geschrieben hat. Schließlich handelt es sich um "ein bemerkenswerte Buch, das zu den Wurzeln des Glauben führt", wie die "Bild"-Zeitung feststellte. Aber gibt es in der Redaktion und unter den Lesern des Blattes keine Geschiedenen? Ach - die halten es eben wie jene Juden, die dem Grundsatz folgen: "Die Synagoge, die ich nicht besuche, muss orthodox sein."

Gerhard Müller sieht mit Sorge "die Trennung von Glaubenslehre und Glaubenspraxis". Für die sind nicht Papst und Bischöfe verantwortlich, sondern die Katholiken, die ihnen nicht gehorchen. Und so sei es, warnte der Kardinal, schon "im Schicksalsjahr 1517" gewesen. Denn "nicht die Lehre Johann Tetzels über den Nachlass zeitlicher Sündenstrafen war falsch, wie wir heute wissen, sondern ihre Nichtbeachtung in der Praxis und die Erweckung eines falschen Scheins" (www.vatican.va).

Da kann man nur rufen: "Giovanni Tezzelo santo subito". Wenn Müller Tetzels Seligsprechung bald einleitet, kann seine Heiligsprechung noch das ökumenische "Christusfest" krönen, das manche Protestanten 2017 feiern wollen.

Jürgen Wandel

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