Gott in mir haben

Die Emil-Nolde-Ausstellung in Hamburg
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
"Meine hohen Himmelswolken jedoch sind frei, diesen können sie nichts anhaben."

Im Jahre 1926 kaufte der Maler Emil Nolde (1867-1956) an der Nordsee eine Warft. Auf ihr baute er ein Haus, das er Seebülli nannte. Den Blick vom Hügel beschrieb er so:"Wir standen auf unserer Warft Seebüll, die ganze weite Himmelswölbung über uns, mehr noch als den Halbkreis rundend. Wir schauten nach dem Süden zu dem auf seiner Warft fest gelagerten Hülltofthof"

Zusammen mit mehr als zweihundert weiteren Werken Noldes präsentiert jetzt die Hamburger Kunsthalle auch den "Hülltoft Hof" (1932). Auf dem Großteil des Gemäldes ziehen schwere, dunkle Regenwolken übers Land. Nur einige sonnengelbe Lichtstreifen durchbrechen das Blaugrau. Doch rechts klart der Horizont langsam auf. Das kleine Hülltofttief nimmt die Hälfte des unteren Teils ein. Links duckt sich auf einer Landzunge der Bauernhof mit seinem dunklen Reetdach, roten Backsteinen und zwei weißen friesischen Scheunentoren. Davor leuchtet ein gelber Heuhaufen.

Im Jahre 1926 kaufte der Maler Emil Nolde (1867-1956) an der Nordsee eine Warft. Auf ihr baute er ein Haus, das er Seebülli nannte. Den Blick vom Hügel beschrieb er so:"Wir standen auf unserer Warft Seebüll, die ganze weite Himmelswölbung über uns, mehr noch als den Halbkreis rundend. Wir schauten nach dem Süden zu dem auf seiner Warft fest gelagerten Hülltofthof"

Zusammen mit mehr als zweihundert weiteren Werken Noldes präsentiert jetzt die Hamburger Kunsthalle auch den "Hülltoft Hof" (1932). Auf dem Großteil des Gemäldes ziehen schwere, dunkle Regenwolken übers Land. Nur einige sonnengelbe Lichtstreifen durchbrechen das Blaugrau. Doch rechts klart der Horizont langsam auf. Das kleine Hülltofttief nimmt die Hälfte des unteren Teils ein. Links duckt sich auf einer Landzunge der Bauernhof mit seinem dunklen Reetdach, roten Backsteinen und zwei weißen friesischen Scheunentoren. Davor leuchtet ein gelber Heuhaufen.

"Die Natur getreu und genau nachbilden", so Nolde, "gibt kein Kunstwerk. Die Natur umwerten unter Hinzufügung des eigenen Seelisch-Geistigen lässt die Arbeit zum Kunstwerk werden." Im "Hülltoft Hof" ist die Größe des Wattenmeers überwältigend. Und das Bild symbolisiert eine himmelhohe Freiheit. Als die Nationalsozialisten seine Werke angriffen, notierte der Maler trotzig: "Meine hohen Himmelswolken jedoch sind frei, diesen können sie nichts anhaben."

Für Nolde führte "der erste Schritt in die Welt" über Hamburg. 1910 wohnte er mehrere Wochen direkt am Hafen. Unablässig zeichnete und malte er dort. Aus seinen Tuschpinselbildern stieben Wasser, Regen, Wind, Dampf und Kohlestaub. Die Ölgemälde hingegen sind voll unbändiger Farbgewalt. So ist der "Sonnenuntergang" (1909) am Meer eine Explosion in gelb-orange und blau-grün.

Nicht nur die Hafenbilder erzählen von Aufbruch und Ausfahrt - die religiösen Bilder sind provozierende Traditionsabbrüche: Im "Einzug in Jerusalem"" (1915) flammen Jesu Haare henna, sein Umhang prangt scharlach und auf dem Boden liegt ein karmesinfarbenes Tuch. Palmwedel schwingen über seinem Kopf, Kleider sind ihm zu Füßen gelegt, aufgerissene Augen schauen ihn an. Aus den weit geöffneten Mündern lärmt es: Hosianna! Jesus reitet auf einer stolzen Eselin. Ihr Füllen trabt neugierig daneben. Erwartungsvoll schaut es zum Reiter. Der aber senkt den Blick ernst zu Boden. Seine Mundwinkel sind fast bitter herabgezogen. Christus schweigt.

In der "Grablegung" (1915) tragen drei Männer den Leichnam Jesu zur Bestattung. Liebevoll umfangen sie ihn. Gebeugt von Leid und Tod zerfurchen Trauer und Entsetzten ihr Gesicht. Pechschwarz, weiß und rot sind ihre Haare. Blau und grün glühen die Gewänder. Christus ist ocker-grau gemalt, die Wundmale blutrot. Ihr letzter Liebesdienst beugt die Jünger fast zu Tode.

Die dreiteilige "Maria Aegyptiaca" (1912) erzählt vom Wandel einer Prostituierten zur Heiligen. Links tänzelt die Hure vor lüsternen Seeleuten - wild, erotisch, kunstvoll-lockend. Auf der Mitteltafel reckt sie lotrecht die Arme empor, den Kopf extrem zurückgeneigt. Mund und Augen sind weit geöffnet - hingegeben an die Mutter Jesu. Rechts bettet die Natur die tote Einsiedlerin ins Grün - warm ocker-orange gemalt wie der Löwe, der ihr das Grab gräbt.

"Falls ich am Bibelbuchstaben und am erstarrten Dogma gebunden gewesen wäre", so Nolde, "ich habe den Glauben, dass dann ich diese tiefsinnig empfundenen Bilder so stark nicht hätte malen können. Ich musste künstlerisch frei sein, - nicht Gott vor mir haben, sondern Gott in mir, heiß und heilig wie die Liebe Christi." - "Nolde in Hamburg" - das ist "Lärm und Tosen, Rausch und Rauch und Leben."

Hamburger Kunsthalle, bis 10. Februar 2016. Katalog "Nolde in Hamburg" (200 Seiten), Preis in der Ausstellung 29,- Euro, sonst 49,90.

Robert M. Zoske

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