Absolut fesselnd

Neues von Hugo Distler
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Eine emotional anrührende Interpretation, voller Zartheit und klanglich berückender Momente.

Hugo Distler war nur ein gutes Jahrzehnt öffentliche Wirksamkeit als Komponist und Chorleiter beschieden, bevor er sich mit 34 Jahren am 1. November 1942 das Leben nahm. In den ersten Jahrzehnten nach 1945 fanden seine Werke gute Resonanz, doch in den vergangenen Jahrzehnten kam die Beschäftigung mit Distlers Musik in weiten Kreisen der Chorszene zum Erliegen. Umso schöner, dass jetzt endlich wieder eine ambitionierte Neueinspielung Distler'scher Musik erschienen ist, nämlich die Weihnachtsgeschichte Opus 10.

Das Werk aus dem Jahr 1933 ist ein treffliches Beispiel dafür, wie sehr Distler die sprachbetonte Musik von Heinrich Schütz (1585-1672) verehrte und verinnerlicht hat. "Man singe nur einmal selber im Chore etwa das Schütz'sche ,Die Himmel erzählen die Ehre Gottes' - da gewinnen Baum und Strauch und alle Kreatur, das ganze Universum eine Stimme." So beschrieb es Distler 1935 selbst in seinem Aufsatz "Vom Geiste der neuen evangelischen Kirchenmusik". Diese Schütz-Begeisterung hat aber so gar nichts epigonenhaftes, denn er fügt der Übernahme gewisser barocker Grundmuster, zum Beispiel in Sachen Deklamation, eine ganz neue, eigene musikalische Welt hinzu. Der Komponist und Distler-Schüler Siegfried Rheda hat das einmal so beschrieben: "Die Stimmen scheinen wie ein hauchdünnes Spinnengewebe über einen Abgrund gespannt zu sein". Damit soll ausgedrückt werden, dass in Distlers Musik häufig rhythmisch gegensätzliche Passagen übereinander liegen und eigentümlich harmonisch changieren. Wird dies adäquat ausgeführt, kann es in hohem Maße fesseln.

Dem 16-köpfigen Athesinus Consort Berlin unter Klaus-Martin Bresgott ist keinesfalls (nur) eine adäquate, sondern eine herausragende Aufnahme gelungen, in der sich technische Perfektion und Leidenschaft gegenseitig befeuern. So entsteht eine emotional anrührende Interpretation, voller Zartheit und klanglich berückender Momente. Besonders hervorzuheben ist die großartige Leistung von Tenor Thomas Volle als Sänger des Evangelisten! Zudem enthält die CD noch andere wenig bekannte Advents- und Weihnachtsmotetten Distlers, unter anderem als Weltersteinspielung sein allererstes Chorwerk "Uns ist ein Kind geboren" aus dem Jahre 1927 und die wunderschöne Choralmotette "Lobt Gott ihr Christen alle gleich".

Nun steht nur zu hoffen, dass dieser Einspielung möglichst bald weitere mit Distlers faszinierend-berührenden Vokalwerken folgen - am besten auf dem Niveau dieser Weihnachtsgeschichte!

Hugo Distler: Die Weihnachtsgeschichte. Carus 83.472

Reinhard Mawick

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