Wichtiger Beitrag

Christen im Irak
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Autobiographie, Geschichtsbuch und praktischer Ratgeber - ein Buch über die bedrohten Christen in der ewigen Krisenregion.

Mit der fortschreitenden Eskalation des Leidens in Syrien stehen die Christen im Irak immer weniger im Fokus medialer Aufmerksamkeit. Es ist gut, dass dieses mit zahlreichen Fotos illustrierte Buch sie wieder in Erinnerung ruft. Denn wie Syrien, so ist auch der Irak ein altes christliches Kernland. Und in beiden Ländern steht mehr denn je das Überleben von christlichen Gemeinschaften in Frage, die zu den ältesten der Welt gehören.

Viele von denen, die aus Bagdad geflohen sind, haben im kurdischen Nordirak eine neue Bleibe gefunden. Diese Region grenzt an den Turabdin in der heutigen Türkei. Die Autoren der einzelnen Beiträge des Buches sind Kenner dieser Gegend, stammen sie doch ganz überwiegend aus der 1992 gegründeten und ebenso international wie ökumenisch zusammengesetzten "Solidaritätsgruppe Turabdin-Nordirak", die schwerpunktmäßig in Bayern und Württemberg aktiv ist.

Der Duktus des Buches führt von sehr persönlichen, teilweise biographischen Zugängen der Autoren hinein in die praktische Solidarität. Gerade im Schlussteil gibt es manch nützlichen Hinweis, wie man die Beteiligten bei ihren ganz praktischen Vorhaben, beispielsweise dem Wiederaufbau von Kirchen, unterstützen kann.

Dazwischen finden sich ein geschichtlicher sowie ein gegenwartskundlicher Teil über die christlichen Gemeinschaften im Nordirak. In ersterem erschließt sich ein schier unglaubliches internationales Netzwerk der ostsyrisch-nestorianischen Kirche des Ostens bis hin nach China während der Epochen der vormodernen Christentums-Geschichte. Sehr hilfreich ist hier zudem das konfessionskundliche Übersichtskapitel, welches einen guten Einblick in die unzähligen Verästelungen dieser Tradition bietet.

Im Gegenwartsteil geht es um so praktische Fragen wie die existentielle Alternative zwischen Bleiben und Fliehen, Anschläge auf Kirchen, den Aufbau eines Flüchtlingsdorfes, die Rolle des Islam, die Situation irakischer Frauen und ein Projekt der Trauma-Arbeit vor Ort. Immer wieder kommt dabei auch die Region der biblischen Stadt Ninive in den Blick, welche bereits zu Beginn des Buches einen historischen Ausgangspunkt bietet. Die Sinnhaftigkeit der Errichtung einer autonomen christlichen Region in dieser Gegend - ein Projekt, welches insbesondere von einflussreichen exilirakischen christlichen Gruppen unterstützt wird - wird dabei höchst unterschiedlich beurteilt. Am überzeugendsten sind wohl die Stimmen, welche die Christen in einer autonomen Region Kurdistan, in der die Grundrechte aller Einwohner garantiert werden, besser geschützt sehen als in einem solchen Experiment, welches nur zur weiteren konfessionellen Fragmentierung des Nahen Osten beitragen würde.

Ein Fundstück, welches die geopolitischen Auswirkungen einer solchen Fragmentierung frappierend deutlich macht, ist die Landkarte, welche von Autoren des Buches zufällig im Büro eines kurdischen Provinzgouverneurs entdeckt wurde: Neben dem (selbstverständlich) "Freien Kurdistan" von annähernd gleicher Größe wie die verbleibende Rest-Türkei finden sich da unter anderem ein winziger "sunnitischer Irak" sowie ein "arabisch-schiitischer Staat" vom Süden Bagdads bis an die Grenzen Qatars.

Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in Syrien und dem Irak lässt sich die Vermutung nicht von der Hand weisen, dass solche Gedankenspiele eines Tages von der Realität sogar noch überholt werden könnten. Wo die Christen darin ihren Ort haben werden, ist alles andere als absehbar. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die lokalen Christen des Irak zumindest in Deutschland im Bewusstsein nicht zur Belanglosigkeit werden.

Thomas Prieto Peral/Horst Oberkampf: Heimat oder Exil? Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, Erlangen 2013, 264 Seiten, Euro 19,80.

Uwe Gräbe

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Uwe Gräbe

Pfarrer Dr. Uwe Gräbe ist Nahostreferent der Evangelischen Mission in Solidarität und Geschäftsführer des Evangelischen Verein für die Schneller-Schulen.


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