Das Blut, der Tod, die Farbe Grün

Auf den Spuren Federico Garcia Lorcas in Andalusien
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
So wie Dali malt, dichtet Lorca.

Neun Männer am Rand der Bühne, vor ihnen Frauenkleider, die sie bedächtig überstreifen. Keine zehn Minuten später hat man völlig vergessen, dass hier Männer spielen: Fünfzehn Jahre zurück liegt dieser Theaterabend in den Berliner Sophiensälen. Federico Garcia Lorcas "Das Haus der Bernarda Alba" ist ein Drama, in dem nur Frauen vorkommen; der einzige Mann, um den sich alles dreht, bleibt unsichtbar. Es ist ein Haus in einem andalusischen Dorf, voller Sehnsucht, Trauer, Intrigen und Hass, mit einem Funken unerfüllter Liebe. Am Ende Mord. Dialoge, die im Kopf brennen.

Seitdem bin ich süchtig nach Lorca - wo immer sich die Gelegenheit bietet, sehe ich mir seine Stücke an, auch "Yerma" und "Bluthochzeit" sind keine leichte Kost. Immer spielt Lorcas Symbolik mit: das Blut, der Tod, der Mond, die Farbe Grün. Immer klagt er an: die Doppelmoral, die äußeren Zwänge, die Bigotterie, die Stellung der Frau in der ländlichen Bevölkerung. Und so wie Franz Kafka zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Prag seinen Gregor Samsa schreibt, dichtet Lorca surrealistische Verse im Zusammenspiel mit seinem Freund Salvador Dali. So wie Dali malt, dichtet Lorca. Luis Buñuel, ein weiterer Freund der Madrider Gruppe 27, gibt dem Surrealismus im Film ein Gesicht.

Ein Urlaub in Andalusien wird zur Spurensuche. Zuerst Fuente Figueras, das Dorf in der Vega, wo Lorca 1898 geboren wurde. Der Vater Großgrundbesitzer, wohl deshalb habe ich mir das Elternhaus pompöser vorgestellt. Schmal und bescheiden liegt es in einer engen Gasse. Fuente Figueras ist keines der weißen Touristendörfer Andalusiens, hierher kommt nur, wer sucht. Ein Dorf, ärmlich, verlassen, die Plaza aber protzt: Hier lebte er, ein Denkmal, ein Gedenkstein. Vor dem Kulturhaus werben Fahnen mit Lorcas Porträt für Dichterlesungen.

Lange hatten die Spanier Lorca vergessen. Den unrühmlichen Teil der Geschichte, den Faschismus, in der der Libertin ohne Prozess hinterrücks erschossen und in einem Massengrab verscharrt wurde. Der Grund? Sympathisierend mit den Linken, offen Kritik übend, zudem homosexuell. Jemand, der mit dem Theaterprojekt "La Barraca" in einem Karren über die Dörfer zog, um der Landbevölkerung Kultur und Bildung nahe zu bringen - das war zuviel.

Man hatte ihn abgeholt aus dem Landhaus der Eltern, der "Huerta de San Viscente", wohin er sich gern zum Schreiben zurückzog. Vier Kilometer vor den Toren Granadas lag die Finca damals, heute mittendrin. Ich durchquere einen der Randbezirke, Straßengewirr, Betonbauten, Ramschgeschäfte, wo ist hier eine Finca? Wie eine Fata Morgana tut sich ein großes Tor vor einer grünen Insel auf. Die plötzliche Stille verwirrt. Ein langer Kiesweg, Palmen, mittendrin die Finca. Wieder kleiner als vermutet. Ein Landhaus, grüne Fensterläden, im Nebengebäude ein Museumsshop. Den kostbar gebundenen Poems kann ich nicht widerstehen, noch weniger einer CD mit Lorcas Stimme.

In der Finca ehrfürchtige Stille, der Fremdenführer spricht leise, für einen Spanier eine anstrengende Sache. Blumen und Obst auf den Tischen, als sei sie noch bewohnt. Lilien auf dem Klavier. Ach ja - Lorca war nicht nur Poet, Autor und Regisseur, sondern auch anerkannter Musiker. Auf in die Altstadt Granadas, die Lorca durchstreifte, um die alten Lieder der Gitanos in seinen Romanceros festzuhalten. Überall Plakate, das legendäre Konzert, damals mit Lorca am Klavier und Manuel de Falla auf der Flamenco-Gitarre in den Gärten des Generalife, wird nun jedes Jahr als großes musikalisches Ereignis auf der Alhambra gefeiert. Ich bekomme noch Karten, zwei Tage später bin ich dort. Der Mond scheint wie von Lorca bestellt durch die Bogen und Säulen, spiegelt sich in den Wasserläufen und Mosaiken. - Adios Andalucia.

Angelika Hornig

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