Eigener Blick

Im Widerstand gegen Hitler
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Das Buch ist zu empfehlen, weil es den gemeinsamen Weg von Dohnanyi und Bonhoeffer anrührend beschreibt. Aber es schmerzen viele Fehler...

Der Historiker Fritz Stern und seine Ehefrau Elisabeth Sifton haben einen eigenen Blick auf das Leben der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi geworfen. Die Nähe zu Bonhoeffer und seiner Familie erklärt, wie sie den Einsatz des Juristen von Dohnanyi und des Theologen Bonhoeffer im deutschen Widerstand würdigen. Sie erinnern daran, dass nach 1945 Hinterbliebene ermordeter Widerstandskämpfer schlechter behandelt wurden als überlebende NS-Funktionäre.

Umso mehr stellen sie den Antrieb heraus, mit dem Bonhoeffer und Dohnanyi aufeinander zugingen: Für Dohnanyi war Hitler das "Schwein", das es zu beseitigen galt. Bonhoeffer wie Dohnanyi sei in diesem Sinn früh klar geworden, dass Hitler und die Seinen in Deutschland die Geltung von Rechtsstaat und Menschenwürde mit Terror und Mord außer Kraft setzten. Als schließlich die Shoa eingeleitet wurde und sie von Vernichtungsfeldzügen begleitet war, die die Zivilisation bedrohten, riskierten sie ihr Leben, um einen von Offizieren der Wehrmacht mitgetragenen (und vom Ausland honorierten) Tyrannenmord zu organisieren. Sifton und Stern erzählen davon, indem sie es wie ein Drama analysieren.

Nachdem Dohnanyi verhaftet worden war, gelang es seiner Ehefrau Christine (Bonhoeffers Schwester), ihrem Mann mit Bazillen bestrichene Brote ins Gefängnis zu schmuggeln, damit er erkrankte und nicht unter Folter die Namen weiterer Widerständler preisgab. Dohnanyi wurde so schwach, dass man ihn im Konzentrationslager Oranienburg auf der Bahre zum Galgen trug. Bonhoeffer erhielt sein Todesurteil in einem irrsinnigen Gerichtsverfahren während der letzten Kriegstage und wurde im KZ Flossenbürg gehenkt. Die Autoren betonen, dass Dohnanyi "das geistige Haupt" des 20. Juli war. Ebenso würdigen sie zwar den Weg Bonhoeffers, aber ihrer Meinung nach sei Dohnanyi historisch zu Unrecht in den Schatten Bonhoeffers geraten. Daraus ergeben sich Vorwürfe, die sie gegen Eberhard Bethge als Herausgeber und Biograf Bonhoeffers erheben: Durch die Edition der Briefe in "Widerstand und Ergebung" habe er Bonhoeffer zu einem "ikonischen Märtyrer" werden lassen.

In diesem Sinn folgen Rundumschläge gegen Tonlagen von Bethges Biografie, wie auch gegen die von Ferdinand Schlingensiepen. Selbst an der sorgfältigen Anlage der siebzehn Bände des Nachlasses Bonhoeffers ("Dietrich Bonhoeffer Werke") nehmen sie Anstoß. Das ist verwunderlich, stützen sich doch Sifton und Stern bei Zitaten und Details auf diese Vorarbeiten. Zum Glück wird durch ihre Skizze die große Untersuchung von Marikje Smid über das Ehepaar Dohnanyi etwas bekannter, wie auch die Darstellung von Christoph Strohm über theologische Ethik und Recht bei Bonhoeffer und Dohnanyi.

Umso mehr enttäuscht, wenn die beiden Autoren den Ertrag ihrer Arbeit so zusammenschmelzen, als sei schlicht "Anstand" der Hintergrund der Haltung von Dohnanyi und Bonhoeffer gewesen. Damit bemühen sie einen Begriff, der zur Sprache der Nazi-Moral gehörte. Ihr Buch ist zu empfehlen, weil es den gemeinsamen Weg von Dohnanyi und Bonhoeffer anrührend beschreibt und mit entscheidenden Daten der Geschichte des NS-Staates verbindet. Aber es schmerzen viele Fehler: "Gemeinsames Leben" zum Beispiel wurde 1938 geschrieben und nicht nach dem Polenfeldzug.

Elisabeth Sifton/Fritz Stern: Keine gewöhnlichen Männer. C. H. Beck Verlag, München 2013, 176 Seiten, Euro 18,95.

Heiner Süselbeck

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Heiner Süselbeck

Heiner Süselbeck ist Pfarrer i. R. und  lebt auf Mallorca. Er hat zuletzt von 2002 bis 2010 als Rektor des Pastoralkollegs der Evangelischen Kirche im Rheinland gearbeitet.


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