Ökumene hat für ihn keine Priorität
zeitzeichen: Frau Generalsekretärin Skupch, ein Landsmann von Ihnen ist Papst. Sind Sie als Argentinierin darauf stolz?
Sonia Skupch: Die meisten Argentinier sind riesig stolz. Für mich ist es dagegen nicht so wichtig, dass der neue Papst Argentinier ist. Aber ich finde es gut, dass er aus Lateinamerika kommt.
Und warum?
Sonia Skupch: Weil er Armut und die Situation der Armen kennt. Und für sie hat sich gerade der Papst stark engagiert. Von Lateinamerika aus konnte man dagegen den Eindruck gewinnen, dass der Vatikan und die Struktur der römisch-katholischen Kirche weit weg von der Wirklichkeit der Menschen und ihren Problemen sind.
Der Papst war Erzbischof von Buenos Aires. Wie hat er sich gegenüber Ihrer Kirche, der Evangelischen Kirche am La Plata, verhalten?
Sonia Skupch: Er kennt unsere Kirche gut. Er ist immer zum Dialog bereit gewesen, wenn wir ihn darum gebeten haben. Aber er hat ihn nicht unbedingt von sich aus gesucht. Und in einigen ethischen Fragen, wie der Homoehe, haben wir ganz verschiedene Auffassungen vertreten.
Die Einführung der Homoehe hat er ja als Teufelszeug bezeichnet.
Sonia Skupch: Und wir haben die neue Gesetzgebung, die diese ermöglicht, unterstützt.
Wenn Sie die ökumenische Einstellung des Papstes während seiner Amtszeit in Buenos Aires mit der anderer römisch-katholischer Bischöfe Argentiniens vergleichen: War er aufgeschlossener oder konservativer?
Sonia Skupch: Ich würde sagen, er war in der Mitte. Es gibt Bischöfe, die mit unserer Kirche nicht nur einen Dialog führen, sondern auch zusammenarbeiten. Und es gibt extrem konservative Bischöfe, die sich dem ökumenischen Dialog verweigern.
Und der Papst...
Sonia Skupch: ... ist wie gesagt ein Mensch, der für den ökumenischen Dialog offen ist. Aber ich würde nicht sagen, dass Ökumene seine Priorität ist.
Was haben Sie an ihm besonders geschätzt?
Sonia Skupch: Er ist ein bescheidener Mann und von einer ganz praktischen Frömmigkeit geprägt. Und aus dieser heraus, nicht von einer befreiungstheologischen Position, engagiert er sich für die Armen.
Aber er hat nicht gesagt, lasst uns gemeinsam mit den Protestanten etwas zugunsten der Armen machen.
Sonia Skupch: Nein.
Hat es auch etwas gegeben, was Ihnen nicht so gefallen hat?
Sonia Skupch: Ja. Im Hinblick auf die Frauenordination ist er konservativ. Und das dürfte sich in seinem neuen Amt nicht ändern.
Ihre Kirche, die Evangelische Kirche am La Plata, hat rund 27.500 Mitglieder, die nicht nur in Argentinien leben, sondern auch in Paraguay und Uruguay. Und von den 44 Millionen Argentiniern sind 75 Prozent römisch-katholisch. Wird Ihre Kirche von der römisch-katholischen ernst genommen?
Sonia Skupch: Wir sind eine sehr ländlich geprägte Kirche. Das ökumenische Klima in den Dörfern und Kleinstädten hängt natürlich immer stark von den Ortspfarrern ab. Wenn die römisch-katholischen Bischöfe unter den evangelischen Kirchen einen ernsthaften, theologisch soliden Dialogpartner suchen, fällt ihre Wahl auf uns oder andere protestantische Kirchen. Denn wir unterscheiden uns theologisch von den Pfingstlern und den ganzen anderen evangelikalen Freikirchen.
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Jürgen Wandel (Interview)