Lob der Vielfalt
In der überfüllten Magdeburger Gertraudenkirche passiert an diesem Abend etwas, was in England verbreitet, in Deutschland dagegen eher selten ist: Während der Predigt wird gelacht. Auf der Kanzel steht der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich. Gerade ist er in sein neues Amt als Leitender Bischof der VELKD eingesetzt worden, dem Zusammenschluss von acht Mitgliedskirchen der EKD. Der Nachfolger von Johannes Friedrich (63) kann aber nicht nur die Leute erheitern, er strahlt auch Heiterkeit aus, lächelt nicht nur milde, wie es zur Berufsausstattung mancher Geistlicher gehört.
Bei der Wahl erhielt Ulrich - als einziger Kandidat - ein fast "volksdemokratisches" Ergebnis, 47 von 48 Stimmen bei einer Neinstimme, und er wurde mit standing ovations gefeiert. Der 60-Jährige besitzt also eine starke Stellung in der VELKD, und mit ihm wird die VELKD in der EKD eine solche einnehmen.
Vielfalt als Stärke
Vertreter der Union Evangelischer Kirchen (UEK), in der dreizehn unierte und reformierte Mitgliedskirchen der EKD zusammengeschlossen sind, hatten ihr Anliegen, die Stärkung der EKD, immer mit dem Argument begründet, der deutsche Protestantismus müsse "mit einer Stimme sprechen". Bischof Gerhard Ulrich lobte in Magdeburg dagegen die Vielfalt des Protestantismus. Sie sei eine "Stärke, nicht eine zu überwindende Schwäche".
Man kann das auch so übersetzen: Die VELKD bereichert und stärkt so die EKD. Und dass Ilse Junkermann zu Ulrichs Stellvertreterin gewählt wurde, verbreitert die Basis der VELKD. Mit ihr bekleidet nicht nur eine Frau eine führende Position. Die 54-Jährige ist auch Bischöfin einer Landeskirche, der mitteldeutschen, die lutherische, unierte und reformierte Gemeinden vereint und sowohl der VELKD als auch der UEK angehört. Und sie stammt aus einer wichtigen lutherischen Landeskirche, der württembergischen, die nicht zur VELKD gehört.
Zu den Besonderheiten der VELKD gehört das Amt des Catholicabeauftragten. Er soll die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche analysieren und pflegen. Dabei geht es um Wandel durch Annäherung. Aber daraus kann natürlich auch ein Wandel durch Anbiederung werden.
"Vertane Chance"
Dieser Gefahr erliegt Braunschweigs Bischof Friedrich Weber nicht. In seinem Catholicabericht, den der 62-Jährige in einer gemeinsamen Sitzung der VELKD- und UEK-Synodalen erstattete, ging er auch auf den Papstbesuch in Erfurt ein. Der Catholicabeauftragte würdigte, dass zum ersten Mal während eines Papstbesuches in Deutschland der ökumenische Gottesdienst "in einer evangelischen Kirche" gefeiert worden sei. Doch Benedikt XVI. habe nichts zur Not konfessionsverschiedener Ehepaare gesagt, die nicht gemeinsam zum römisch-katholischen Abendmahl gehen dürfen. Wenn er doch wenigstens um Verständnis für die Haltung des Vatikan gebeten und gesagt hätte, "wir können nicht anders". Weber sieht darin "eine vertane Chance sowohl für die Ökumene als auch die innerkatholische Debatte". Die Synodalen von VELKD und UEK beklatschten diese Feststellung stark.
Weiter Weg
Kritisch setzte sich Weber auch mit den Vorschlägen mancher evangelischer Kirchenleute auseinander, den Papst als "Sprecher der Christenheit" anzuerkennen. Für den Catholicabeauftragten kann diese Frage "nur im Rahmen einer Gemeinschaft gleichberechtigter Kirchen angegangen werden". Doch bis dahin sei es "noch ein weiter Weg".
Weber hat beobachtet, dass die römisch-katholische Kirche das Ökumenekonzept der Protestanten von der versöhnten Verschiedenheit "zunehmend problematisiert". Dabei sei dieses ein "überzeugendes Modell" für eine Gemeinschaft der Kirchen, weil es deutlich mache, die Unterschiede zwischen den Konfessionen seien "nicht so groß, dass sie kirchentrennend sind".
Weber selber verkörpert zumindest eine versöhnte Verschiedenheit der evangelischen Konfessionen: Er wurde auf das reformierte Bekenntnis ordiniert, war Propst einer unierten und ist Bischof einer lutherischen Kirche.
Jürgen Wandel