Religionen im Einsatz für Demokratie

Bundesregierung und Europarat laden zur interreligiösen Konferenz
Die Teilnehmenden der Konferenz zum Beitrag der Religionen zur Demokratie
Foto: Thomas Trutschel/photothek.net
Die Teilnehmenden der Konferenz

Angesichts der Erfolge rechtspopulistischer Parteien wächst die Sorge um die Demokratie in Europa. Können Religionsgemeinschaften helfen, die Demokratie zu stärken? Der Europarat und Vertreter der Bundesregierung beantworten diese Frage mit „Ja“ und haben Vertreter und Vertreterinnen unterschiedlicher Religionen nach Berlin eingeladen, um den möglichen Beitrag der Religionen auszuloten. 

Rund 30 überwiegend männliche Religionsvertreter aus Deutschland, Frankreich, Italien, Griechenland, Slowenien und dem Vatikan kamen zum Gespräch, bei dem schnell klar wurde, dass es eher um einen Auftakt zu weiteren Runden ging, als um konkrete Ergebnisse.

Dabei formulierte Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, in deren Haus die Konferenz stattfand, durchaus hohe Erwartungen: „Interreligiöse Dialoge zeigen auf, wie gesellschaftliche und politische Dialogprozesse besser funktionieren können“, sagte sie in einer Videobotschaft. „Sie setzen voraus, dass wir lauter und deutlicher sagen, welche politischen Überzeugungen uns leiten. Und sie müssen auf Respekt und der Anerkennung des Gegenübers basieren. Das ist die Grundlage für funktionierende Demokratien.“

Zusammenleben verbessern

Frank Schwabe, Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit und einer der Veranstalter der Konferenz, verwies auf die oft problematische Rolle von Religion, etwa im Nahost-Konflikt oder auch beim Krieg gegen die Ukraine und dessen Unterstützung durch die russisch-orthodoxe Kirche : „Dass Menschen Religionen missbrauchen können, um Gesellschaften zu spalten, sehen wir in diesen Tagen. Aber im besten Falle helfen Religionen, das Zusammenleben zu verbessern.“

Björn Berge, Vize-Generalsekretär des Europarates, formulierte es mit Blick auf das hohe soziale und gesellschaftliche Engagement vieler Religionsgemeinschaften so: „Die Frage ist nicht, ob, sondern wie religiöse Gemeinschaften die Wiederbelebung der Demokratie fördern können.“ Aber was genau können Juden, Christen und Muslime – andere Religionen waren nicht vertreten – in den Kampf für die Demokratie einbringen? 

Zerbrechlich und berufen

Heiner Bielefeldt, Professor an der Universität Erlangen und früherer UN-Berichterstatter zum Thema Religionsfreiheit, formulierte zwei Erwartungen: Klarheit im Einsatz für die Menschenrechte und Tiefe. „Eine Tiefe Krise erfordert tiefe Antworten. Wir müssen tief eintauchen in das, was auf dem Spiel steht.“ Religiöse Lehren könnten helfen, den Respekt vor allen Menschen zu vertiefen und das Bewusstsein schärfen, dass der Mensch einerseits eine zerbrechliche Existenz und andererseits zum Einsatz für höhere Ziele berufen sei.

Viel konkreter wurde es zumindest in der großen Runde nicht, das war auch kaum zu erwarten. Bereits in den großen Treffen der Religionsvertreter:innen im Auswärtigen Amt, die vor vielen Jahren von Frank-Walter Steinmeier als Bundesaußenminister initiiert wurden, waren Begegnungen und Gespräche im informellen Rahmen wohl entscheidender für friedensstiftende Projekte als öffentliche Statements. Für die jetzige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock spielt dieses Format keine Rolle mehr. Der Neuanfang im BMZ in Kooperation mit dem Europarat in etwas kleinerem Rahmen könnte eine Chance für die Politik und Religionsgemeinschaften sein. 

Offene Wunden

Anne Gidion, Bevollmächtigte der EKD bei der Bundesregierung und der EU, hätte sich von der Konferenz zwar auch „mehr realen Dialog und weniger Vortragen vorbereiteter Statements“ gewünscht, sagte sie auf Anfrage von „zeitzeichen“. Zudem sei spürbar gewesen, wie schwer Dialog „mit offenen Wunden“ wie dem Massaker des 7. Oktobers und dem Krieg im Gazastreifen sei. Zugleich werde aber immer wieder neu deutlich: „Sprachfähigkeit und Kenntnis in religiösen Logiken ist notwendig für Außenpolitik wie für jede internationale Politik, die eine gemeinsame Entwicklung zum Ziel hat.“ Und genau für diese gemeinsame Entwicklung seien im Geburtstagsjahr des Grundgesetzes Konflikt erprobte und dialoggeübte Religionsgemeinschaften kundige Partnerinnen und Partner.

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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