Mit dem Abgründigen rechnen

Frieden im heiligen Land? Noch geht es eher um Sicherheit
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"Wird nie Frieden im Heiligen Land?" Diese Frage stellen wir angesichts des Terrorangriffes der Hamas und der Gegenwehr Israels mehreren kundigen Menschen aus Kirche, Religion und Politik. Hier die Antwort von Christian Staffa, EKD-Beauftragter für den Kampf gegen Antisemitismus.

Wir stehen fassungslos vor dem abgründigen und sadistischen Massaker durch die Hamas-Terroristen aus dem Gaza. Wir wussten um die Bedrohung, die vom Gaza seit langem in Form von Angriffen mit Raketen und Tunneln nach Israel ausgeht. Von Norden und Nordosten kommen Raketen noch zögerlich, aber doch mit der Botschaft es wird keinen Frieden geben für Israel. Es soll kein Israel mehr geben!

Aber halt! Frieden im Heiligen Land? Es fällt ja immer mal wieder auf, dass protestantische Delegationen sich um das Wort Israel herumschleichen, bei gleichzeitiger Betonung des Existenzrechtes Israel. Heiliges Land, das ist nach EKD-Orientierungshilfe so etwas wie der Staat Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete, und der Gazastreifen, aber auf krude Weise auch eine Vermeidung der Anerkennung Israels jenseits des Heiligen.

Inklusion der Flüchtlinge

Wie könnte Frieden werden? Vermutlich war es nie hilfreich, Ratschläge nach Israel zu senden, was Israel – deutlich seltener, was die palästinensische Seite, oder jedes Nachbarland - tun müsste, um in Frieden mit seinen Nachbarn leben zu können.  Noch weniger wird die UNO befragt, ob denn das Aufrechterhalten der Flüchtlingslager nicht menschenrechtlich mehr als bedenklich ist und auf keinen Fall den Frieden fördert. Inklusion der dritten Generation Flüchtlinge in den Autonomiegebieten und im Libanon und Syrien, wären echte Schritte auf dem Weg zu ein wenig mehr Frieden.

„Wirklicher Friede für Israel bedeutet die Aussicht, in der Welt auf eine neue Art leben zu können. Die Aussicht, dass Israel nach und nach von den Verheerungen durch 2000 Jahre Exil, Verfolgung und Dämonisierung genesen wird.“, so sagte David Grossmann in seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels.

Manifester Vernichtungswille

Die Verheerungen durch die skrupellosen Mörder der Hamas am 7. Oktober 2023 sind wohl motiviert von den zunehmenden und durchaus erfolgreichen Friedensbemühungen sogar der jetzigen israelischen Regierung. Das wollte die Hamas nicht dulden, denn sie will keinen Frieden. Ihr Vernichtungswille ist auf grausamste Weise manifest.

„Nie Frieden“ ist kein vernunftgeleiteter Ansatz. Aber vielleicht geht es für einen langen Augenblick noch eher um Sicherheit. Dafür braucht es neue Ansätze, die auch mit dem Abgründigen rechnen und darauf sich beziehen, keine wohlfeilen Reden, sondern wirkliches - vielleicht sogar militärisches - Tun, etwa der NATO, aber eben auch der Entwicklungspolitik, auch der kirchlichen - sinnvolle Bedingungen  zu stellen, Gespräche zu vermitteln und eigene Fehler zu analysieren. Als Antisemitismusbeauftragter der EKD kann ich nur schließen mit einer Bitte um selbstkritisches kirchliches Tun, israelbezogenen Antisemitismus in den eigenen Reihen und der Ökumene zu adressieren und zu bekämpfen im Interesse eines anders ausgerichteten „Nie wieder“.

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Christian Staffa

Dr. Christian Staffa ist Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche der Evangelischen Akademie zu Berlin, Christlicher Vorsitzender der AG Juden und Christen beim DEKT und Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Kampf gegen Antisemitismus


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