Unsere 13 Baustellen (II)

Warum sich die evangelische Theologie ehrlich machen sollte
Baustelle des Besucherzentrums "Powalla Forums" an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis (26. April 2022). Mit dem Namen würdigt der Michel die beiden Mäzene Günter und Liselotte Powalla.
Foto: epd
Baustelle des Besucherzentrums "Powalla Forums" an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis (26. April 2022). Mit dem Namen würdigt der Michel die beiden Mäzene Günter und Liselotte Powalla.

Stimmen die Grundparameter des Denkens in der heutigen Theologie noch? Der Bochumer Systematische Theologe Günter Thomas meint, dass sich der christliche Gottesbegriff vielerorts in eine diffuse Natur- und Ökoromantik von zweifelhafter Substanz aufzulösen droht. Er diagnostiziert 13 Baustellen evangelischer Schöpfungstheologie der Gegenwart. Nach den ersten vier am Montag, nun die nächsten fünf. Der Abschluss dann am kommenden Montag (29.8.).

5. Baustelle: Heilige Natur. Tatsächlich?

Die Grenze zwischen einer ökologischen Ethik und einer die Natur, die Erde oder Gaya als heilig empfindenden Spiritualität, ist fließend. Bemerkenswerterweise ist es eine dezidiert nach- beziehungsweise a-theistische Theologie wie die Dorothee Sölles, die im deutschsprachigen Kontext die Schöpfung für heilig erklärte. Aber auch Jürgen Moltmann gesellt sich ihr in dieser Sache bei. Christlich-theologisch kommen sogenannte panentheistische Theologien, die das Göttliche (als Geist, als Christuslogos et cetera) in allem was ist, sehen möchten, letztlich kaum umhin, die Natur als heilig zu betrachten. Es drängt sich der Eindruck auf: Die nachtheistische Kirche scheint ihre Religionslosigkeit nicht ertragen zu können. Was aber, wenn weder das Leben noch die Natur für sich heilig sind, sondern vom heiligen Gott geschaffen und gehalten?

Dass die katholische Theologie sich diesem Trend gegenüber aufgeschlossen zeigt („Laudato si“) überrascht nicht. Indigene und ökofeministische Ansätze zur Mutter Erde zielen in die gleiche Richtung. Dass diese Orientierung den kirchlichen Diskurs da schon bestimmt, wo die entsprechenden Begriffe noch andere sind, zeigt eine Testfrage: „Worüber darf man keine Witze machen?“ Wo der Witz endet, beginnt in jeder Gesellschaft heiliges Territorium. Über den Papst darf in westlichen Gesellschaften heute jedermann Witze machen, über Greta Thunberg als Wächterin der Natur nicht. Manche werden diesen Hinweis schon als unstatthaft erachten.

Die Heiligsprechung der Natur und ihrer prominenten Bewahrer ist nicht nur biblisch-theologisch mit Fragezeichen zu versehen. Zweifellos verspricht sie ihren Befürwortern diskursstrategisch eine moralische Mobilisierung für bewahrendes Handeln und Unterlassen. Sie befördert Empfindungen der Ehrfurcht und fordert disziplinierenden Respekt. Doch der Preis ist hoch. Die Heiligsprechung erfordert, die auf vielen Ebenen der Natur manifeste Gewalt und Zerstörung entweder aus der Wahrnehmung und Kommunikation auszublenden oder aber, metaphorisch gesprochen, zu umarmen. In der heiligen Natur ist dann eine heilige Einheit von Leben und Tod, von Kreativität und Zerstörung, von Beziehungsreichtum und Räuberei anzuschauen. Wird der Natur in ihrer vermeintlichen Integrität, Vitalität und Ästhetik, Heiligkeit zugesprochen, so lässt sich schwerlich die Idee zurückweisen, dass sie im weiteren Sinne auch in Fragen moralischer Orientierung normgebend sein soll. An dieser Stelle formulierte der Alttestamentler Jürgen Ebach schon vor mehr als 30 Jahren geradezu prophetisch warnend: „Nach wie vor steht eine isolierte Schöpfungstheologie in der Gefahr der Sakralisierung der Natur und der Ausblendung der Normen einer solidarischen Praxis unter den Menschen, die aus einer Naturtheologie nicht abzuleiten sind. Das Gesetz der Natur nämlich kennt weder die Nächstenliebe noch die Gerechtigkeit noch den Einsatz für die Schwachen“ (1989, 105).

In der von Romantikern gepriesenen Natur gibt es keine Pflegeheime und keine radikale Gastlichkeit. Mit einer Sakralisierung der Natur wird mit Sicherheit einem Sozialdarwinismus langfristig Tor und Tür geöffnet. Auch ohne Friedrich Nietzsche oder frühen Darwinisten eine falsche Ehre zu erweisen, ist wichtig zu sehen: Es wird nicht aufzuhalten sein, einer durchgehend heiligen Natur auch Maßstäbe für das menschliche Leben zu entnehmen. Die Rückseite der Heiligsprechung der Natur ist darum ein versteckter oder offener Antihumanismus. Die Geschichte ist voller Beispiele. Diesen Befund dürften manche ökotheologisch Engagierten in Frage stellen wollen. Darum muss um die Heiligsprechung der Schöpfung beziehungsweise ihrer naturalen Seiten gestritten werden. 

6. Baustelle: Biblische Texte. Ja, welche?

Jeder konstruktiv-theologische Umgang mit dem kanonischen Gespräch in den biblischen Schriften ist unausweichlich selektiv und zugleich synthetisch, das heißt modellierend. Strittig ist aber, wieviel Komplexität des kanonischen Gesprächs sich die Theologie in Sachen Schöpfung und Natur selbst zumuten soll, welche Fehloptimierungen vermieden werden sollten. Umstritten ist, inwiefern sich eine gegenwärtige Ethik überhaupt von welchen Traditionen irritieren und orientieren lassen möchte. Die schöpfungstheologischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte bezogen sich vielfach auf die beiden Erzählungen in Genesis 1 und 2. In hoch reduktionistischer Weise wurden beide Schöpfungserzählungen aus dem erzählten Drama der Urgeschichte (Genesis 1-11) herausgerissen. Hinzu kommt, dass sie im ökotheologischen Diskursraum auf fragwürdige Weise ‚gekreuzt‘ wurden. Die Prädikation der Güte der Schöpfung aus der ersten Erzählung wurde mit dem Gartenmotiv der zweiten so kombiniert, dass es im Umgang mit der Schöpfung um die Bewahrung eines guten Gartens zu gehen scheint. Zu durchsichtig erscheinen die Verwertungsgesichtspunkte in den Zugriffen auf die Texte. Müssten nicht die vielfachen Verweise auf den weisheitlichen Schöpfungspsalm 104, mit den dort gepriesenen Gewaltverhältnissen (inklusive der Vernichtung der Gottlosen), die Kritik daran in Jesaja 11, mit der eschatologischen Vision des sogenannten Tierfriedens, in den Blick nehmen? Kann der Geist Gottes, der dem Staub eingehaucht wird, tatsächlich mit dem Geist als reale Gottesgegenwart gleichgesetzt werden – wenn der Geist auch ein Fliehender und ein Kommender ist? Was heißt es zu bewahren, wenn wir Menschen nicht mehr in diesem Paradiesgarten leben, sondern auf einem staubigen Acker voller feindlicher Dornen und Disteln? Was heißt es, wenn in dem Flutnarrativ aus dem „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ ein „Und Gott sah die Erde und siehe, sie war verdorben“ wurde (Gen 6,12) – und dies, wohlgemerkt, sich auf „alles Fleisch“ bezieht (Gen 6,12b)? Dies sind nur einige wenige Andeutungen zu den verbreiteten, äußerst selektiven exegetischen Zugriffen. Die sehr eigenwilligen Zugriffe auf die biblischen Texte führen meines Erachtens zu systematisch-theologischen Fehlabstraktionen. Sie führen in ethische Fehloptimierungen, die das Leben der Natur idealisieren. Die verbreitete theologische Rede von der Bewahrung der Schöpfung durch den Menschen, dürfte ein prominentes Beispiel einer solchen Fehlabstraktion sein. Aber natürlich, hier stehen heftige Auseinandersetzungen an. 

7. Baustelle: Panentheismus. Der Ärger der Partikularität!

Ist Gott in allem, was lebt, gar in allem, was ist? Blickt man auf die internationale ökologisch ausgerichtete Theologie (innerhalb wie außerhalb der ökofeministischen Theologie), so ist ohne Zweifel das Modell eines prozesstheologisch inspirierten Panentheismus geradezu das Standardmodell der Verhältnisbestimmung von Gott und Welt geworden. Für den deutschsprachigen Raum wurde Jürgen Moltmanns pneumatologische und ökologische Schöpfungslehre prägend. Der Panentheismus, nach dem Gott in allem ist, ohne ganz darin aufzugehen, kann unterschiedlich gefüllt werden: Der Geist kann als Kraft der Kreativität in allem sein, der Christuslogos kann im ganzen evolutionären Prozess inkarniert sein, die Erde kann Gottes Körper oder die ganze Welt kann ein Sakrament sein – um nur die prominentesten Modelle aufzurufen. Der Panentheismus bietet vielfältige Anschlüsse an indigene Naturreligiosität, an aktuelle „Deep Green Religion“, an die Idee der Heiligkeit allen Lebens oder der Sakralität der Natur. Die Spielarten des Panentheismus sind, auch bei allen Abgrenzungsversuchen gegenüber einem Pantheismus, auch noch resonanzfähig gegenüber einem harten theologischen Naturalismus.

Dieser Panentheismus, der den ökologischen Diskurs explizit oder implizit bestimmt, ist mit mehr als einem Fragezeichen zu versehen. Die grundlegende theologische Vorgehensweise aller panentheistischen Ökotheologien ist die variantenreich zu beobachtende Strategie einer Universalisierung einer in den biblischen Traditionen greifbaren partikularen Gottesgegenwart. Folgt man diesem Ansatz, bleibt es nicht nur rätselhaft, wie Gott gegen etwas sein und einen Widerwillen haben kann. Jegliches agonale und kämpferische Moment in Gott, mit dem er um seine Schöpfung und die Menschen ringt, wird konsequent ausgeschlossen. Dies führt, folgt man dem jüdischen Exegeten John Levenson, theologisch nicht nur in die Langeweile. Ist Gott schon in allem gegenwärtig, so ist nicht nachvollziehbar, wie noch an irgendeiner „rettenden Transzendenz“ hoffend festgehalten werden kann. Wird die Partikularität des göttlichen Handelns in eine hier und da partikular nur bezeichnete Universalität aufgelöst, so ist dies nicht ohne Folgen.

Eine der Folgen des Panentheismus ist – und dies lässt sich vielfach belegen – dass der besondere Ölbaum Israel, auf den die Kirche gepfropft ist, aus dem Blick gerät. Der ökologisch motivierte Panentheismus strebt nach einer Plausibilität des Religiösen ohne den Skandal des sozial, geschichtlich und sachlich Partikularen, für das Israel und Jesus von Nazareth als Christus stehen. Nicht umsonst findet sich zur Anzeige dieser historischen Partikularität Pontius Pilatus im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Diese vielfach beobachtbare Flucht in die Universalität der Gottesgegenwart in der Immanenz ist offen zu diskutieren. Gibt sie Essenzielles Preis? Überwindet sie die Enge bestimmter Traditionen? Ich fürchte, sie verleugnet im Kern das Ärgernis des Christusereignisses und der Partikularität Israels.

Hinzu kommt eine weitere Beobachtung: Das Bedürfnis nach einer politischen und hinsichtlich der Leitimaginationen niederschwelligen Anschlussfähigkeit an außerkirchliche Akteure im Raum der Zivilgesellschaft, ist für die Kirchen nicht ohne Folgen. Dieses Bedürfnis dürfte nicht unwesentlich zu einem wenig prägnant trinitarischen Schöpfungsverständnis in den Umweltdebatten beitragen.

Eine trinitarisch gegliederte Rede von der Schöpfung stellt aber keine theologische Griffelspitzerei dar, sondern eröffnet wichtige Pointen der Geschichte Gottes mit der Schöpfung. Sie hält fest, dass die Thematisierung der Natur als Schöpfung von der Perspektive des Glaubens abhängig ist und keine unmittelbare Erfahrungsevidenz als Grundlage hat. Zugleich eröffnet die trinitarische Rede den theologischen Blick auf eine reiche Differenzierung in Gottes Transzendenz und Immanenz – gegenläufig zu den in der ökologischen Theologie dominierenden panentheistischen Vorstellungen einer in allem gegenwärtigen Immanenz Gottes. Und: Nur in einer trinitarischen Fassung der Schöpfung, ist die Natur in so eine Geschichte Gottes mit der Welt hineingenommen, dass die Natur eine erlösende Zukunft hat. Nur in dieser letztlich trinitarisch angelegten Geschichte (als erzählte Story und als Ereignisserie in und mit dieser Welt) kann eine Erlösung der Schöpfung mit all ihren naturalen Seiten gedacht werden – eine Erlösung, die nicht einfach eine Erlösung vom Menschen ist. Von dieser Hoffnung aus kann wiederum mit einem realistischen Blick auf die Schattenseiten der gegenwärtigen Schöpfung geschaut werden. In dieser Sichtweise ist die Schöpfung mehr als die gegenwärtige Natur. In der trinitarischen Geschichte Gottes markiert die Prädikation „sehr gut“ eine theologisch schmerzhafte Erinnerung und eine antreibende, sehnsüchtige Hoffnung. Ob die Kirche riskiert, diese kritischen Differenzierungsgewinne in die öffentliche Debatte einzubringen, erscheint wenig wahrscheinlich. Doch genau darum muss gestritten werden.

8. Baustelle: Evolution. Wie hältst Du´s damit?

Wie verhält sich eine ökologische Bewahrensethik zu den zerstörerischen Prozessen in der Evolution? Wie zu den agonalen und zum Teil auch antagonistischen Kräften in gegenwärtigen naturalen Prozessen? Wie verhält sie sich zu Täuschung, Verdrängung und Vernichtung in diesen Prozessen? Dieser Frage kann man sich nicht durch die durchaus auch berechtigten Hinweise auf Elemente der Kooperation und des Austauschs bis zu gelegentlichen Momenten des Altruismus entledigen. Es fällt auf, dass insbesondere die deutschsprachige ökologische Theologie das Terrain der sogenannten Übel und des Leidens innerhalb des evolutionären Prozesses weithin nicht betreten möchte. Der Sentenz des Philosophen Alfred North Whitehead „Leben ist Räuberei und bedarf der Rechtfertigung“ kann ein Wahrheitswert nicht abgesprochen werden. Bei der Räuberei hilft der Verweis auf die vermeintliche Harmonie des großen Ganzen nicht wirklich weiter. 

Die Corona-Pandemie ist mit Blick auf die Gefährdungen und Risiken der Evolution für den Menschen eine machtvolle Erinnerung an ein daueraktuelles Thema. Viren erhöhen, nicht nur, aber doch zumeist, den Selektionsdruck. Dieser Blick auf den evolutionären Prozess ist es, der die Erkenntnis der Gefährdung des Menschen in seiner naturalen Existenz in der Natur und durch die Natur wachsen lässt. Der Mensch ist zweifellos ein Gefährder, aber ein gefährdeter Gefährder – wie alle anderen Akteure im Prozess.

Eine primär an Bewahrung und Integrität orientierte ökologische Theologie, Ethik und Spiritualität, die betonen, dass Gott eigentlich alles was ist, liebt, wird sich tatsächlich letztlich in den Kreis der Evolutionsleugner evangelikaler Provenienz einreihen müssen. Tut sie es nicht, so ist sie immer noch mit einer folgenreichen Entscheidung konfrontiert. Entweder sie optiert für eine mehr oder weniger stoische Haltung gegenüber den leidvollen Härten der Evolution, die mit Motiven einer sogenannten apophatischen (unsagbaren, unerklärbaren) Theologie kombiniert werden kann. Der rätselhafte, nur schweigend anzubetende Gott, zerstört jede Unterscheidung und fordert die Unterwerfung.

Oder aber, und dies ist die hier präferierte Option, die Theologie rechnet mit der Möglichkeit einer kritischen Positionierung und einem Widerwillen Gottes inmitten des der Evolution immanenten Leids unentfalteten Lebens. Doch diese letzte Option schließt selbstredend einen Panentheismus (Gott in allem) und eine Sakralisierung der Natur aus. „Wie hältst Du’s mit der Evolution?“ Hier muss gestritten werden. Hier gabeln sich Wege.

9. Baustelle: Sprechen und Handeln der Kirche. Wer denn?

Wer handelt eigentlich, wenn „die Kirche“ handelt? Die Synoden, die Bischöfinnen und Bischöfe, die Umweltbeauftragten, die EKD, das Presbyterium oder die Millionen Alltagschristen? Meine Beobachtung ist: Das öffentliche Engagement der Kirchen in Sachen Ökologie verstärkt das Sprechen der Organisation. Es befördert die Entwicklung der Kirche hin zur moralischen Agentur. Wenn Bürger, Kirchen, Initiativgruppen und Synoden fordern, „die Kirche“ solle sich mehr um Klimagerechtigkeit kümmern und sichtbare Zeichen gegen den Klimawandel setzen, so wird diese Erwartung überwiegend an die Kirche als Organisation adressiert und von der Organisation aufgenommen. 

Diese Orientierung an dem Sprechen und Handeln der Großorganisation hat einen doppelten Effekt. Die Notwendigkeit eines eindeutigen Sprechens und Handelns der Großorganisation in der Zivilgesellschaft wirkt gegen eine mögliche Vielstimmigkeit in der ökologischen Ethik. Diese Dynamik führt im operativen Vollzug und in der öffentlichen Wahrnehmung faktisch zu einem moralischen Lehramt – das der Protestantismus bei der katholischen Kirche abkupfert. Hinzu kommt: Richten sich die Erwartungen und Selbsterwartungen an die Organisation „die Kirche“, so fallen die Alltagschristen einfach aus der Wahrnehmung heraus. Dieser Logik folgend, beschloss die Synode der Kirche im Rheinland mit großem Stolz im Frühjahr 2022, zehn Jahre früher als die Bundesrepublik insgesamt, also schon 2035, klimaneutral sein zu wollen. Doch wer ist hier ‚die Kirche‘? Offensichtlich schließt der Beschluss nicht die Gebäude der 2,3 Millionen Mitglieder der rheinischen Kirche ein, sondern eben nur die Gebäude der Organisation im engeren Sinne. Die Organisation selbst ist die ökomoralisch Heilige. Sie soll die ökologisch Reine und vom CO2-Abdruck Unbefleckte werden. Katholizismus pur.

Als Kirchenorganisation versuchen so die protestantischen Kirchen ökologisch-ethische Avantgarde zu sein und übersehen, dass die eigentlichen Elemente, aus denen die protestantische Kirche sich zusammensetzt, die einzelnen Alltagschristen sind. So war es zumindest in der Vergangenheit. So wirft speziell die ökologische Ethik unübersehbar die Frage auf: Wer ist es denn eigentlich, der in Sachen ökologischer Selbstverpflichtung für die Kirche inmitten eines demokratischen Rechtsstaates spricht und handelt? Mein Verdacht ist: Das Bedürfnis nach moralischer Eindeutigkeit und das Bedürfnis nach rasch umsetzbaren Handlungen der Organisation stellen eine bequeme und konfliktscheue Flucht aus der Komplexität der wirklichen Welt dar. Würde beispielsweise die Kirche im Rheinland sich den ökologischen Umstellungsproblemen ihrer 2,3 Millionen Mitglieder mit geschätzten 800.000 Haushalten annehmen, so wäre dies ein Gewinn an Glaubwürdigkeit und ein substantieller Beitrag zur Politik. Der Preis wäre aber zweifellos ein Weniger an moralischer Eindeutigkeit und ein Weniger an beanspruchtem ‚Tempo‘. Es sind elementare Fragen des Kirchenverständnisses, die bisher hier mehr unterschwellig als offen miteinander im Streit sind. Wie viel „Rekatholisierung“ will die protestantische ökologische Ethik befördern? Wieviel Vertrauen hat sie in die Demokratie? Das gilt es zu debattieren.

Den zeitzeichen.net-Text mit den ersten vier der 13 Baustellen von Günter Thomas lesen Sie hier. Den Abschluss des Textes lesen Sie ab kommenden Montag (29.8.) auf zeitzeichen.net.

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