Frieden braucht Sicherheit

Frieden im Heiligen Land? Wir müssen uns von Lebenslügen verabschieden
Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress /Bernd Elmenthaler

"Wird nie Frieden im Heiligen Land?" Diese Frage stellen wir angesichts des Terrorangriffes der Hamas und der Gegenwehr Israels mehreren kundigen Menschen aus Kirche, Religion und Politik. Hier die Antwort von Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Die Frage wirkt ja irgendwie wie aus der Zeit gefallen, erreicht sie mich doch nur wenige Tage, nachdem die Hamas mit einem terroristischen Massenmord an Israelis in dem Arabisch-Israelischen Konflikt einen neuen heißen Krieg vom Zaun gebrochen hat. Dieser neue Krieg hat die Grundannahmen vieler Schlaumeier aus den Außenministerien in Berlin, Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten Lügen gestraft: Israel wurde sowohl für die Blockade von Gaza, die ja im Wesentlichen in einer Kontrolle der Ein- und Ausfuhr bestand, und des Zaunes zum Westjordanland, um die Welle der Selbstmordanschläge seit der zweiten Intifada im israelischen Kernland einzudämmen, kritisiert. Heute muss man sagen, die Kritik, die Kontrolle des Güterverkehrs sei zu scharf gewesen, hat sich als unhaltbar gewesen. Sie war allenfalls nicht konsequent genug. Sonst wäre das Massaker vom 7.10.2023 nicht möglich gewesen.

So weltfremd die Haltung unserer Außenpolitik an diesen Punkten ist, so war sie es nach dem Scheitern des Oslo-Prozesses. Wie eine katholische Liturgie betet man seither die Clinton-Parameter von 2000 rauf und runter. Aber Frieden ist kein idealistisches Projekt. Es gibt keinen Frieden ohne Sicherheit. Diese Lektion sollte man doch auch in Europa für die Epoche nach dem Ende des Kalten Krieges spätestens mit Putins Bruch des Budapester Memorandums bei der Besetzung der Krim 2014 gelernt haben.

Zwei-Staaten-Lösung nicht der nächste Schritt

Frieden hat nur eine Chance, wenn Israel weiß, dass es für die Aufgabe von Herrschaft und Kontrolle über palästinensische Gebiete Sicherheit vor Angriffen aus diesen Gebieten bekommt. Und das ist keine Fragen von nicen Erklärungen. Es kommt auf belastbare sichere Strukturen an.

Und deshalb glaube ich auch nicht daran, dass die Zwei-Staaten-Lösung der nächste Schritt bei einer potenziellen Befriedung des Konfliktes sein kann. Das Ja zur Zwei-Staaten-Lösung ist ein semantischer Container für das politische Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und ihr Recht auf kulturelle und ökonomische Entwicklung. Dieses Recht und diese Perspektive teile und unterschreibe ich. Es wird aber seiner Realisierung nur näherkommen, wenn arabische Staaten, zum Beispiel die ehemaligen Besatzer des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens, also Ägypten und Jordanien, vielleicht gemeinsam mit anderen, mehr Verantwortung bei der Sicherheit übernehmen.

Keine Kompromissse mit der Hamas

Denn mit der aktuellen politischen Führung in Ramallah, die Terrorrenten an gefangene Terrorristen und Hinterbliebene von toten Terrorristen zahlt, und Gaza, das für den größten antisemitischen Massenmord seit dem Holocaust steht, kann Israel keine Kompromisse schließen, ohne das Leben seiner Bevölkerung zu gefährden. Muss man es aussprechen? Eine Organisation wie die Hamas will die Juden weltweit oder zumindest in der Nahostregion töten. Soll Israel etwa darüber verhandeln, ob wenigstens die Hälfte überleben darf? Absurd. Es gibt aktuell keinen verlässlichen palästinensischen Partner für Frieden.

Wer einen Beitrag zum Frieden im Heiligen Land leisten will, muss sich von den europäischen Lebenslügen über die Situation verabschieden. Denn Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Die wurde am 7.10.2023 noch einmal in der drastischsten Weise dokumentiert.

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Volker Beck

Volker Beck ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) e.V. und Geschäftsführer des Tikvah Institut gUG.


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