Wichtig ist das Wasser

Henrike Block untersucht heidnische Einflüsse auf den Taufritus der frühen Christen
Henrike Block
Foto: Ove Arscholl
Henrike Block

Die neutestamentliche Wissenschaft hat bisher die Prägung der urchristlichen Taufpraxis durch die hellenistisch-römische Umwelt weitgehend ausgeklammert. Mit ihrer Doktorarbeit betritt Henrike Block, 30, Neuland.

Ich wuchs in Röbel an der Müritz auf. Meine Eltern waren in der evangelischen Kirchengemeinde engagiert. Ich wurde konfirmiert, besuchte die Christenlehre, spielte Orgel und im Posaunenchor. Nach dem Abitur wanderte ich auf dem Jakobsweg. Und dann studierte ich in Rostock Theologie mit dem Ziel, Pastorin zu werden.

Schon im Grundstudium machte mir die Beschäftigung mit dem Neuen Testament (NT) Freude. Dabei spielte natürlich eine Rolle, dass mir viele Texte aufgrund meiner kirchlichen Sozialisation vertraut waren. Und nach der Zwischenprüfung steigerte sich mein Interesse auch, weil ich im NT-Seminar meine Standpunkte einbringen konnte und darüber in einer fairen Weise diskutiert wurde.

Später wurde ich wissenschaftliche Hilfskraft bei Professorin Soham Al-Suadi, die an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock den Lehrstuhl für das Neue Testament innehat. Sie meinte, ich solle doch mal der Frage nach dem Ursprung der christlichen Taufe nachgehen und den Forschungsstand recherchieren. Dabei stellte ich fest, dass die meisten Neutestamentlerinnen und Neutestamentler von einer Stiftung der Taufe durch Johannes den Täufer ausgehen. Oder es wird auf die jüdische Praxis der Proselytentaufe verwiesen. Mir fiel auf, dass die Frage nach hellenistischen und römischen Einflüssen aufgegeben worden war. Professorin Al-Suadi empfahl mir, noch etwas tiefer zu graben. Und dabei fiel mir auf, welche wichtige Rolle Wasser in der Antike spielte. Und ich recherchierte, wie damals Bäder beschaffen waren. Ich fand das spannend und war überzeugt, mit einer Dissertation Neuland betreten zu können. Professorin Al-Suadi ermutigte mich zu der Arbeit mit dem Titel Die frühchristliche Taufe im Kontext der hellenistisch-römischen Welt und wurde meine Doktormutter. Ausgestattet mit einem Stipendium der Nordkirche begann ich 2019 mit meiner Dissertation. Außerdem fand ich später eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft an der Theologischen Fakultät in Greifswald, die mit der Rostocker eng zusammenarbeitet.

Wie erwähnt, war es mir eigenartig vorgekommen, dass so viele Neutestamentlerinnen und Neutestamentler Einflüsse der hellenisch-römischen Umwelt auf Taufverständnis und Taufpraxis der frühen Christen weitgehend außer Acht ließen, während die neutestamentliche Forschung dieser Frage beim Abendmahl seit rund dreißig Jahren nachgeht.

Für meine Doktorarbeit machte ich mich auch in der Ritualwissenschaft kundig, die vorwiegend in angelsächsischen Ländern betrieben wird. Ihre Erkenntnisse sind ein wichtiger Aspekt meiner neutestamentlichen Doktorarbeit. So vergleiche ich Wasserriten in der Antike. Sie spielten in der Verehrung der Götter, bei medizinischen Behandlungen, in öffentlichen und privaten Bädern und bei alltäglichen Reinigungen eine elementare Rolle. Auch der Besuch eines Bades war ein Wasserritus, weil er einem bestimmten Ablauf folgte.

Der Umgang mit Wasser prägte im ersten und zweiten Jahrhundert Leben und Identität der Menschen im Römischen Reich. Das ging sogar so weit, dass andere Völker aufgrund ihrer Wasserriten denunziert wurden. So schreibt Soran von Ephesus, ein griechischer Arzt, der um 100 nach Christus in Rom tätig war, barbarische Völker wie die Germanen würden ihre neugeborenen Kinder in kaltes Wasser tauchen, um sie abzuhärten, die Lebenskraft des Neugeborenen zu prüfen und sie gegebenenfalls zu töten.

Die frühchristliche Taufe entsteht in einer Zeit, in der Wasserriten Hochkonjunktur haben. Besonders die Badekultur ist auf ihrem Höhepunkt. Die ersten Christen sind also umgeben von Wasserriten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie aus diesen Quellen schöpfen und eigene Wasserriten initiieren. Meine Arbeit zeigt, dass sich das frühe Christentum auch in der Taufpraxis von seinem Umfeld inspirieren ließ. So wurden bekannte Praktiken aufgegriffen und in einen eigenen identitätsstiftenden Ritus umgeformt.

Bei den Untersuchungen der neutestamentlichen Texte zeigte sich, dass zunächst kein einheitlicher Taufritus praktiziert wurde. Die Taufe wurde zwar stets als verbindender Wasserritus zu Gott und Christus verstanden, aber die Praxis und das Verständnis von dem, was die Taufe für die frühchristlichen Gemeinden bedeutete, konsolidierte sich erst über Jahrhunderte.

Auch wenn die Taufe in ihren Anfängen sehr unterschiedlich praktiziert wurde, sie unterschied sich von anderen Wasserriten der Antike nicht nur durch ihren Bezug auf Gott und Christus, sondern auch durch ihre Einfachheit. Dagegen beschreiben medizinische Texte der Antike zum Beispiel, wie das Wasser beschaffen sein und welche Temperatur es haben muss. Denn manche Wasserarten würden heilen, andere dagegen krankmachen.

Die wichtigste Erkenntnis meiner Arbeit ist, dass die christliche Taufe nicht monokausal erklärt werden kann. Ich schließe Einflüsse Johannes des Täufers und der jüdischen Proselytentaufe nicht aus, aber man sollte beachten: Wie bei den hellenistisch-römischen Riten spielt das Wasser beim Taufritus eine wichtige Rolle. Während jene die Beziehung zu den Göttern wiederherstellen und sich dafür bereitmachen sollen, geht es in der Taufe mit Wasser um die Verbindung mit Gott und Christus.

Bei der Arbeit an meiner Promotion habe ich auch die Erkenntnis gewonnen, dass Riten nicht statisch sind, sondern flexibel wie die Sprache. Ein zentrales und bleibendes Element der Taufe ist zwar das Wasser, aber es kann Süßwasser sein wie beim Ritus in einer Kirche oder Salzwasser bei Taufen im Meer, wie sie jüngst praktiziert wurden.

Ich gehe davon aus, dass meine Doktorarbeit Ende des Jahres für die Einreichung an der Universität fertig ist. Und da mir die theologische Forschung viel Spaß macht, kann ich mir vorstellen, auch danach an der Universität zu arbeiten. Aber das Pfarramt ist für mich kein Plan B. Schließlich habe ich Theologie mit dem Ziel studiert, Pastorin zu werden. Und ich kann mir gut vorstellen, in einer Kirchengemeinde tätig zu sein. So schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Und ich bin gespannt, wohin mich mein Lebensweg führt. 

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