Das Buch will mit seinen Analysen der Welt-Unordnung zu einer positiven Antwort auf die Schlussfrage kommen: "Hat Frieden Zukunft?" Zunächst macht der Autor vier Welten aus: Die Welt der fortgeschrittenen Industriestaaten (OECD), die neue zweite Welt, also die Staaten Ost-Europas, daneben auch ostasiatische Gesellschaften. Dann gibt es die Dritte Welt, also Staaten, die den Anschluss noch nicht geschafft haben wie solche in Lateinamerika, Afrika und wenigen Teilen Südasiens. Als vierte Welt macht der Autor die gescheiterten oder fast gescheiterten Staaten aus.
Der zweite Teil ist dem „Rückblick für die Zukunft“ gewidmet. War der Kalte Krieg eigentlich ein Krieg? Es folgt im dritten Teil die Weltordnungspolitik: Welche Weltordnungspolitik können wir uns in dieser zerklüfteten Welt vorstellen? Gibt es Wege aus der Armut abseits der vergeblichen Anstrengungen, die wir mit einem Verlegenheitswort "Entwicklungspolitik" nennen. Wie sind in der zukünftigen Weltordnung die Menschenrechte und damit auch die kulturellen Bruchlinien zu gestalten und einzuhegen?
Dieter Senghaas beschreibt den Aufstieg Chinas und das im Hinblick auf die USA aufkommende Sicherheitsdilemma. Dass der amerikanische Präsident Obama seine Flotte fast ausschließlich im Pazifik und in Süd-Ostasien stationieren will, kann von China nur als Herausforderung an seinen eigenen Kontinent verstanden werden. Ob die etwas verharmlosten "Regionalkonflikte" wirklich nur solche sind, ist mir fraglich.
Es sind die regionalen Konflikte von erheblicher Virulenz, die auch weltpolitische Folgewirkungen zeitigen können. Der seit über vierzig Jahren schwelende Konflikt und Unrechtszustand in Palästina und der mögliche Israel-US-Luftangriff auf die Atomanlagen des Iran sind Verhinderer eines Weltfriedens und können die reale Welt in einen Abgrund von Kriegen führen.
Schlussendlich meint der Autor, dass sich der mühselige Weg zu Toleranz, Demokratie, Verfassungsstaat und Frieden, wie wir ihn seit dem Edikt von Nantes 1598 und auch seit dem Westfälischen Frieden in Europa kennengelernt haben, "in anderen Teilen der Welt, nicht im Detail, so aber doch im Prinzip wiederholen" müsse.
Die größte Sorge betrifft die unfassbare Ansammlung von Nuklearsprengköpfen in den Arsenalen der Welt. Senghaas fordert die Führer und Regierungen der Welt auf, „die Fehlinvestitionen zu beenden“. Die Militärausgaben belaufen sich jährlich auf 1250 Mrd. US-Dollar, davon werden allein 45 Prozent von den USA aufgebracht. Die Entmilitarisierung politischer Programme sei nicht weniger wichtig als der Abbau dieser Fehlinvestitionen. 1986 gab es noch 70000 nukleare Atomsprengköpfe auf der Welt. Aber auch jetzt, am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts verfügen die neuen Nuklearstaaten weiterhin über 22000 intakte nukleare Waffenköpfe. 97 Prozent davon befinden sich in den Waffenarsenalen der USA (9400) und Russlands (12000). 12500 dieser Waffenköpfe gelten derzeit als operational einsetzbar. Der Rest werde in Reserve gehalten. Es sei zwar mit den neuen Start-Abkommen und seinen Vorgängern eine kleine quantitative Abrüstung zu bemerken, aber sie gehe mit einer qualitativen Umrüstung einher. Solange die Welt diese Rüstungsdynamik nicht bremsen kann, gibt es wenige Aussichten auf den neuen Frieden.
Rupert Neudeck