Indisches Nachtstück, der Titel klingt vielversprechend exotisch. Was folgt, sind ein eher philosophischer Bericht über den großen Subkontinent und Briefwechsel zwischen dem Ich-Erzähler und einem Gelehrten der Theosophischen Gesellschaft aus Madras.
Die Suche nach einem in Indien verschollenen Freund wird begleitet mit Musik aus Franz Schuberts Streichquintett. Diesem Freund, einem Portugiesen, folgt der Erzähler von Hotel zu Hotel durch Indien. Es treiben ihn Nachrichten, Briefe, verschlüsselte Botschaften quer durch die unterschiedlichen Milieus des Landes. Nie will er länger als eine Nacht bleiben, mal landet er in einer billigen Absteige, mal in einem First-Class-Palast, und immer sind es Orte, an denen erstaunliche Menschen und Geschichten auftauchen.
Von Absurditäten und Widersprüchen der indischen Gesellschaft ist die Rede, und all die Geschichten lassen den geheimnisvollen Freund verblassen und zunehmend zur Fiktion werden. Ist es ein Verwirrspiel oder am Ende die alte Suche nach sich selbst, nach dem Indien der Fantasie? Ein Missverständnis? Bis zum Schluss des Hörbuchs philosophiert der 2012 verstorbene Autor Antonio Tabucchi mit seinem fiktiven Brieffreund über diese Fragen. Und rät am Ende: „Schenken Sie den Behauptungen eines Schriftstellers keinen allzu großen Glauben: Schriftsteller lügen fast immer, sagen die Unwahrheit.“
Antonio Tabucchis Roman Indisches Nachtstück wird gelesen von den Schauspielern Martin Feifel und Lutz Magnus Schäfer, die die Hörerinnen und Hörer mitnehmen auf eine dreistündige Reise über den großen Subkontinent, durch geheimnisvolle Orte und Geschichten.
Angelika Hornig
Angelika Hornig ist Journalistin und beschäftigt sich vor allem mit kulturellen Themen. Sie lebt und arbeitet in Minden.