Wenn alles passt

Lady Blackbird: Black Acid Soul

Manchmal passt alles. Und manchmal muss das Ende am Anfang stehen: „Why you wanna fly Blackbird/you ain‘t ever gonna fly” lauten die ersten Zeilen, die Marley Munroe auf ihrem umwerfenden Debutalbum Black Acid Soul singt – der düstere Refrain aus Nina Simones Civil-Rights-Hymne Blackbird von 1963, dem Munroe ihr Pseudonym entlehnt: „No place big enough for holding/all the tears you’re gonna cry/’Cause your mama’s name was lonely/and your daddy’s name was pain/And they call you little sorrow/’cause you’ll never love again/Why you wanna fly Blackbird/you ain’t ever gonna fly.“ Unterdrückung schwarzer Frauen markiert das ungleich leibhaftiger als der sterile Begriff ‚Intersektionalität‘, also nach Rasse, Geschlecht, Klasse. Wie die verhaltene Musik dazu Platz freiräumt, ist Blaupause für das ganze Album: Ein nervös rollender, perkussiv gezupfter, dann wieder gestrichener Bass von Jon Flaugher, dazu spärliche Pianotropfen und Akkorde von Deron Johnson setzen Munroes große Stimme in Szene: Der Song vibriert vor Empörung, ungläubigem Staunen, Schmerz, Wut, aber auch tief berührender Wärme, Lebendigkeit, Würde und Stolz. Er erschien als Single zwei Tage nach George Floyds Tod und hatte somit rund sechs Jahrzehnte nach Simones Original einen Kontext, der alles sagt: Die Revolution läuft weiterhin nicht im Fernsehen, Polizeimorde an Schwarzen aber schon. Es ist zum Kotzen. Auf dem souveränen Album folgt „It’s not easy“, ein in Blues, Gospel, Country und frühem R&B getaufter Southern Soul-Klassiker, den Reuben Bell erstmals 1967 aufnahm und Munroe hier voller Sehnsucht darbietet.

Die Ballade „Fix it“ im Anschluss schrieb sie auf Basis eines Bill-Evans-Stücks mit Produzent Chris Seefried gemeinsam. Ihn getroffen zu haben, ist ein Glück für sie. Nach etlichen Irrwegen, darunter ein Knebelvertrag mit einem christlichen Nashville-Label, steht die Endzwanzigerin nun wohl am Beginn einer erwartbar großen Karriere. Reduzierter Sound und Konzentration auf ihre Gefühle zu den Songs, bei deren Auswahl sie ebenfalls Händchen hatte, waren Seefrieds Idee.

Hervorgehoben seien hier noch „Ruler of my Heart“, das einst Allen Toussaint für New Orleans Soul Queen Irma Thomas schrieb, „Collage“ von der James Gang, einer Rockband mit dem nachmaligen Eagles-Gitarristen, Joe Walsh, sowie das unentrinnbar auf den puren Blues gebrachte „Lost and Looking“. Predigersohn und King of Soul Sam Cooke nahm es 1963 auf seinem zehnten Studioalbum auf. Im Jahr darauf erschoss ihn eine weiße Motelmanagerin. „Justifiable Homicide“, Notwehr, befand die Jury. Der elfte und zugleich Titeltrack am Ende hat keine Leadstimme: Lady Blackbird singt mit den andern im Chor, die Instrumente haben Freilauf – Black Acid Soul. So könnte das nächste Album klingen. Bis dahin gilt: Manchmal ist es gut erträglich, im Konsens zu sein: „One of the albums of the year“ befand die Times und „Debüt-Album des Jahres“ der Deutschlandfunk. Stimmt.

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