pro und contra

Soll die KiHo in Wuppertal erhalten bleiben?

Andreas Obermann
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Wolfgang Thielmann
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Sie ist eine ehrwürdige Institution, die Kirchliche Hochschule – kurz KiHo – in Wuppertal. Nun hat ihre Trägerin, die Evangelische Kirche im Rheinland, jüngst auf einer Sondersynode beraten, ob und wie die Einrichtung weiterbetrieben wird. Andreas Obermann, Theologieprofessor in Bonn, ist sehr dafür, diese staatsunabhängige akademische Ausbildungsstätte für Theologinnen und Theologen zu erhalten. Der Pfarrer und Journalist Wolfgang Thielmann hält das hingegen nicht für nötig.

Alles spricht für die Fortexistenz

Warum wir weiterhin eine staatsunabhängige Theologenausbildung brauchen

Dass gerade im 90. Jahr der Barmer Theologischen Erklärung ernsthaft erwogen wird, die KiHo Wuppertal zu schließen, ist absolut unverständlich. Denn eine staatsunabhängige kirchliche Ausbildungsstätte könnte bald wieder nötig sein.

Die KiHo sollte erhalten bleiben – es gibt nämlich kein zwingendes Argument für ihre Schließung, aber sehr viele für ihre Weiterexistenz. Der wichtigste Grund ist, dass die KiHo gebraucht werden wird als Hochschule mit einem grundständigen Studium der Evangelischen Theologie, wie zunächst ein Blick in ihre Geschichte zeigt: Am 31. Mai 1934 hat die Synode der Bekennenden Kirche in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen im Widerstand gegen die Nationalsozialisten die „Barmer Theologische Erklärung“ beschlossen. Deren V. These stellt das Verhältnis von Kirche und Staat im kritisch-wechselseitigen Gegenüber heraus: Während der Staat „für Recht und Frieden zu sorgen“ habe, soll die Kirche als kritisches Korrektiv an „Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten“ erinnern. Dieses Korrektiv funktioniert natürlich nur, wenn Kirche unabhängig ist, was das Hochschulstudium zukünftiger PfarrerInnen und anderer kirchlicher Mitarbeitenden einschließt.

Die Barmer Theologische Erklärung benennt weiter die Gefahr einer totalitären staatlichen Einflussnahme auf Kirche (und Gesellschaft), weshalb die Bekennende Kirche völlig richtig von der Notwendigkeit einer freien Hochschule für Theologie überzeugt war. Konsequent wurde im November 1935 unter größten finanziellen Anstrengungen die „Kirchliche Hochschule Wuppertal“ gegründet. Kurz danach wurde die KiHo dann schon verboten und war gezwungen, in den Untergrund zu gehen. Dass jetzt ausgerechnet diese geschichtsträchtige KiHo zur Disposition steht, mutet politisch fast schon geschichtsvergessen an: Erst vor kurzem, am 31. Mai 2024, wurde der 90. Geburtstag der „Barmer Theologischen Erklärung“ auf dem „Heiligen Berg“ in Wuppertal (dem Standort der KiHo) und in der Gemarker Kirche gefeiert. Schon allein die Überlegung einer Schließung der KiHo kurz nach diesem Datum auf einer Online-Sondersynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) stellt das freiheitlich-theologische Erbe der Barmer Theologischen Erklärung in Frage. Ihre theologische Selbstverantwortlichkeit wahrt die EKiR – zusammen mit allen Landeskirchen und der EKD – hingegen, wenn sie die KiHo als unabhängige Hochschule auf universitärem Niveau erhält.

Angesichts der immer mehr an Einfluss gewinnenden rechtspopulistischen Strömungen in Deutschland und Europa braucht es als Zukunftsperspektive eine – auch finanziell – freie kirchliche Hochschule! (Die beiden anderen verbliebenen kirchlichen Hochschulen in Deutschland sind im Fall von Oberursel zu klein und von Neuendettelsau nicht frei von staatlicher Finanzierung). Eine immer offener rechtsradikal agierende Partei wie die AfD versucht schon jetzt, unsere freiheitlich-demokratische und plural-multireligiöse Gesellschaft zu unterwandern. So werden – siehe zum Beispiel die Gruppe „Christen in der AfD“ – in der AfD vermeintlich christliche Positionen national verfärbt und theologische Aussagen verzerrt. Sollte die AfD nach Wahlerfolgen über Kultusministerien relativ leicht in der Hoch- und Bildungspolitik Einfluss gewinnen, wäre nicht nur die Theologie in ihrer Freiheit gefährdet. Wollen wir hoffen, dass es nie so weit kommen möge. Aber trotzdem, das Szenario verdeutlicht: Die protestantische Theologie und alle Landeskirchen brauchen um ihrer selbst und der Zukunft unserer demokratischen Gesellschaft willen eine freie Kirchliche Hochschule zur langfristigen Sicherung theologischer Freiheit mit all ihren Implikationen (Barmen V).

Wir sollten uns auch nicht darauf verlassen, dass sich der Staat für immer und ewig verantwortlich zeigen wird für die Ausbildung evangelischer PfarrerInnen. Die KiHo also im Vertrauen auf staatliche Fakultäten zu schließen, die nach Auffassungen in der EKiR ausreichend Potenzial für die zukünftige Ausbildung von PfarrerInnen bieten, ist Ausdruck einer naiven Hoffnung und könnte sich als historischer Fehler erweisen: Angesichts der sich rasant ändernden religiös-weltanschaulichen Zusammensetzung unserer Gesellschaft sind die Theologischen Fakultäten (teilweise auch die Evangelischen Institute für die Lehramtsausbildung) schon jetzt im Blick auf ihre schwache Auslastung und die schwindende inhaltliche Akzeptanz alles andere als gesichert. Der Bestand Theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten ist nicht in Stein gemeißelt! Und für diejenigen, denen ein staatliches Engagement für die Kirchen schon lange ein Dorn im Auge ist, liefert der Vorstoß der EKiR ein willkommenes Argument, auch bei den Fakultäten zu sparen!

Das Ansinnen einer Schließung der KiHo erweckt zudem den Anschein, dass die EKiR die gesamtkirchliche Verantwortung für die theologische Ausbildung nicht mehr ernst nimmt. Bei der Frage nach der Zukunft der KiHo geht es zutiefst um kirchenpolitische Prioritätensetzungen: Der Erhalt der KiHo impliziert ein klares Bekenntnis, dass die Kirche von morgen weiterhin die theologische Expertise von PfarrerInnen beziehungsweise von – wie es die „Gemischte Kommission I für die Reform des Theologiestudiums“ vorschlägt – „ExpertInnen im Christentum“ braucht. Der auf der Sondersynode der EKiR beschlossene Prüfauftrag eines „Bildungscampus“ auf dem „Heiligen Berg“ mit der KiHo und den dort bereits ansässigen anderen kirchlichen Bildungseinrichtungen bietet die Chance, die aktuell anstehenden Reformen des Theologiestudiums kreativ und nachhaltig zu gestalten. Der bestehende Kooperationsvertrag mit der „Bergischen Universität Wuppertal“ und die (räumliche) Nähe zu den Fakultäten in Bonn, Bochum und Münster (NRW) bieten viele Möglichkeiten einer interdisziplinären und interreligiösen Öffnung und Weitung des Angebots der KiHo als grundständiger Hochschule.

Auch wenn es der EKiR finanziell schwerfällt: Um der Freiheit von Theologie, Kirche und Gesellschaft willen muss die Kirchliche Hochschule als ein Projekt aller evangelischen Landeskirchen und der EKD erhalten bleiben: Eine zeitgemäße und innovative Theologie als Frucht eines grundständigen Theologiestudiums gibt es nicht umsonst!

Andreas Obermann

Siehe auch: www.zeitzeichen.net/node/11200


Schwachbrüstige Argumente

Warum die KiHo auf dem „Heiligen Berg“ keine Zukunft haben sollte

Die Verdienste der Kirchlichen Hochschule Wuppertal in der Vergangen­heit sind unbestritten, aber heute ist sie eine unter vielen. Die KiHo hat ihre Zeit gehabt, und die Rheinische Kirche sollte nicht weiter viel Geld in ein Fass ohne Boden versenken.

Der Dichter des 121. Psalms hebt seine Augen auf zu den Bergen und fragt, woher Hilfe kommt. Und er weiß: Von den Bergen kommt sie sicher nicht. Sie kommt auch nicht vom „Heiligen Berg“ in Wuppertal mit seiner Kirchlichen Hochschule. Die hat eine große Vergangenheit, eine bescheidene Gegenwart und keine Zukunft. Deshalb sollte die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR), ihr Hauptträger, sich ein Herz fassen und sie schließen.

Denn die Hochschule hat ihre Aufgabe zu gut erfüllt, um sie am Ende ihrer Tage mit einem Siechtum aus dem Leben zu geleiten. Im „Dritten Reich“ hat sie Nachwuchs der Bekennenden Kirche ausgebildet, aber sie wurde bald verboten und stellte ihre Arbeit ein. Nach Kriegsende neu gegründet beteiligte sie sich daran, den riesigen Bedarf an Theologen zu decken. 1976 half die Evangelische Kirche im Rheinland der damaligen Finanzschwachheit der Schule auf und stieg in die Trägerschaft ein. Die Kirchen, die sie fortan finanzierten, haben in Zeiten des ihnen üppig zufließenden Geldes versäumt, mit der Fertigen ein Ziel zu suchen. Die bayerische Schwesterkirche unterhält seit 1947 ebenfalls eine kirchliche Hochschule. Aber sie war so klug, dafür staatliches Geld zu sichern.

Heute ist der „Heilige Berg“ eine Hochschule unter vielen. Doch der Bedarf an Studienplätzen der Theologie sinkt. Die Evangelische Kirche im Rheinland verliert nichts, wenn sie die Hochschule aufgibt. Sie gewinnt aber Freiräume und Ressourcen.

Denn die Kirchliche Hochschule ist keine kirchliche, sondern eine theologische Hochschule. Für die sie tragenden Kirchen hat sie kaum Bedeutung. Sie ist kein unabhängiger wissenschaftlicher Stachel im Fleisch der Behörden- und Antragskirche. Der Nutzen für die Kirchen ist überschaubar. Die Hochschule hat offenbar kaum Ideen für deren Zukunft und für die wissenschaftliche Begleitung ihrer Erneuerungsversuche entwickelt, und sie hat wenig Forschung geleistet zum Beispiel für das wichtige Engagement von Nichttheologen, das ein hellgrauer Fleck auf der kirchlichen Landkarte bleibt. Ein diakoniewissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt, der aus Bielefeld nach Wuppertal kam, ging wieder verloren. Er remigrierte nach Bielefeld in die Nähe des Wohltätigkeitsuniversums von Bethel.

Das Gebiet der rheinischen Landeskirche ist üppig mit Theologie versorgt: Pfarrpersonen werden in Bonn, Münster und Bochum besser ausgebildet, an staatlichen Universitäten im Gespräch mit anderen Wissenschaften, Religionslehrer auch noch in Köln, Dortmund, Bielefeld und Siegen. Die Rheinische Kirche muss also den theologischen Fakultäten das Leben nicht durch ein Überangebot erschweren. Und das Promotions- und Habilitationsrecht, das auch in Wuppertal zuhause ist, gehört nicht in die Trägerschaft einer Kirche, sondern ist an Universitäten gut aufgehoben. Und was immer zu ergänzen wäre: Ein An-Institut, eine Stiftungsprofessur oder ein Stipendienprogramm füllen Lücken.

Schwachbrüstig ist das Argument der Unterstützer der Kirchlichen Hochschule, bei einem politischen Rechtsruck und einer Gleichschaltung der Universitäten könne die Kirche auf eine eigene, unabhängige Ausbildung zurückgreifen. Wer sagt denn, dass ein Rechtsruck die Kirchen verschont? Wenn man Pfarrer sieht, Kirchenvorstände und schon gar Mitglieder, die sich für rechte Parteien erwärmen, und wenn man die Wirklichkeit einkalkuliert, dass Gemeinden über jede und jeden froh sind, die sich überhaupt engagieren, und wenn man zudem die Wahlergebnisse unter Jüngeren einrechnet, dann kann einem der Glaube an die rechtsruckresiliente Kirche abhandenkommen.

Es wurde sogar eine Online-Petition für den Erhalt der Hochschule gestartet. Deren Hauptargument lag ausgerechnet in der Rechtsruck-Vorsorge. Zudem warnte er: Geld dürfe keine Hauptrolle spielen. Aber bei ihm spielt es nicht einmal eine Nebenrolle.

Den letzten Schritt in die richtige Richtung hat die Kirche vor fast zehn Jahren getan. 2015 beschloss ihre Synode, mit den anderen Zuschussgebern auszuhandeln, dass sie eine ihrer drei Millionen Euro Unterstützung streichen kann. Gelinge das nicht, ziehe sie sich vollständig aus der Finanzierung zurück. Zwischendurch bekam sie Angst vor der eigenen Courage, widerrief den Sparbeschluss und versprach ganz im Gegenteil eine ökonomische Sicherung gegen die Plattentektonik des „Heiligen Berges“. In diesem Juni dämmerte der eigens für Einsparungen an der Hochschule einberufenen Synode erneut, dass sie für die Sicherung kein Geld hat. Im kommenden Februar will sie über neue Ideen berichtet bekommen, die sich schon in den vergangenen zehn Jahren nicht ergaben. Dann wird die (EKiR) seit dem ersten Sparbeschluss rund dreißig Millionen Euro in den „Heiligen Berg“ versenkt haben. Gemessen daran fühlen sich die knapp 22 Millionen Verlust bescheiden an, die die Kirche vor gut zehn Jahren erbeben ließen, weil ihr Beihilfe- und Bezügezentrum windige Investments auf den mikronesischen Inseln im mittleren Pazifik abschreiben musste.Woher kommt Hilfe? Der Dichter des 121. Psalms wird bescheiden und wechselt am Ende seiner Verse in den Konjunktiv: Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. 

Wolfgang Thielmann

Siehe auch: www.zeitzeichen.net/node/11200

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