Generation Kriegstüchtig?

Rüstung gibt uns die Möglichkeit, einen größeren Krieg zu verhindern
Foto: privat

Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 22. Februar 2022 hat mich und viele andere gehörig verunsichert und die Angst vor einem Dritten Weltkrieg geschürt. Hinzu kommen ein instabiles Europa und europakritische USA, die sich zukünftig mehr auf die eigenen Ambitionen in der Welt konzentrieren müssen – egal ob Harris oder Trump die Präsidentschaft übernehmen. Das bedeutet weniger Unterstützung der USA bei steigender Bedrohung durch Russland. Europa und damit Deutschland sind gezwungen, eine Wirtschaft und eine militärische Präsenz aufzubauen, die zur Abschreckung fähig ist, sowohl rhetorisch als auch praktisch.

Auf einer Veranstaltung der young leaders Akademie habe ich das erste Mal so richtig von Rüstung gehört. Young leaders lädt etliche Referentinnen und Referenten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft ein, um jungen Menschen wie mir inklusiv Bildung zu bieten. Dort hielt die Referentin Charline Runge von der Rüstungslobby Deutschlands, dem BDSV e. V., einen Vortrag über die Relevanz der Rüstungsindustrie hinsichtlich der Sicherheit als Grundpfeiler von Nachhaltigkeit. Viele hat das Thema getriggert. Mich hat es neugierig gemacht, weshalb ich kurz darauf, im Mai 2024, ein Praktikum beim BDSV absolvierte, um mir mein eigenes Bild zu machen.

Die jungen Generationen (Generation Z & Alpha) wachsen in unruhigen Zeiten auf und sind am stärksten von Zukunftsängsten betroffen. Aber verstehen junge Menschen, wie wichtig Rüstung und Sicherheit für die Zukunft sind? Die Antwort ist wie immer nicht eindeutig. Dennoch bin ich der Meinung, dass einige junge Menschen sich allmählich Themen wie der Rüstung öffnen, auch wenn nicht mit dem breitesten Lächeln. Vor allem die jungen Generationen sind skeptisch gegenüber Rüstungsgütern und Waffen, denn der Großteil von ihnen hat das Privileg, nie vom Krieg betroffen gewesen zu sein. Vermehrt hat sich das auf der young leaders Akademie gezeigt: Einige Teilnehmer verurteilten den BDSV und hatten teils radikale Sichtweisen auf den Krieg in der Ukraine.

Der Glaubenssatz, Rüstungsunternehmen würden Geld mit dem Tod anderer machen, spielt bei deutschen Jugendlichen eine große Rolle. Denn Deutschlands Bevölkerung ist enorm pazifistisch und an eine sehr sanfte Kriegsrhetorik gewöhnt, weshalb sie in dieser Hinsicht eher voreingenommen ist. Manche Jugendliche waren sogar der Meinung, die Ukraine und Europa sollten einfach aufgeben und Russland das geben, was es wolle.

Entscheidend bei der Beantwortung der Frage, ob junge Menschen Rüstung verstehen, ist zudem die Rüstungslobby. Sie steht repräsentativ für die gesamte Rüstungsindustrie und für die dort Angestellten. Entgegen allen zu erwartenden Klischees, arbeiten in diesem Lobbyverband größtenteils junge Frauen, oft mit internationalem Background. Dazu sagte eine Referentin des BDSV einmal: „Rüstung kann auch jung, bunt und weiblich sein.“

Das vergleichsweise junge Referententeam des BDSV versteht die Wichtigkeit der Rüstungsindustrie und ihre Tragweite für Themen wie Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Nachhaltigkeit ist verdammt teuer und verlangt gesellschaftlichen Wohlstand. Krieg zerstört jedoch jegliche Grundlage für Wohlstand und damit Nachhaltigkeitsper­spektiven. Gerechtigkeit hingegen erfordert die Kompetenz, sich zur Wehr setzen zu können – diplomatisch sowie mit Waffen. Diplomatisch sind wir bei Russland gescheitert, also muss die Ukraine sich anders zur Wehr setzen.

Nachhaltigkeit ist für junge Menschen ein bedeutsames Thema, wird im Kontext mit Rüstung allerdings nicht selten falsch verstanden. Rüstung trägt sicherlich nicht dazu bei, Umwelt und Klima primär zu schützen. Rüstung gibt uns aber die Möglichkeit, einen noch größeren Krieg durch Abschreckung zu verhindern. Kriege verbrauchen mehr Ressourcen und erzeugen mehr CO2-Emissionen als alles andere. Panzer brauchen beispielsweise aufgrund ihrer hohen Energiedichte zumeist fossile Brennstoffe, um Mobilität zu gewährleisten.

Diejenigen, die die Notwendigkeit von Rüstung und Sicherheit am ehesten verstehen, sind die Flüchtlinge aus der Ukraine. Besonders die jüngeren unter ihnen haben im Krieg schlagartig alle Zukunftsperspektiven verloren. Sie haben wenig übrig für philosophische oder ideologische Lösungen für den Ukrainekrieg. Sie sehnen sich nach Pragmatismus in der Politik und nach Frieden. Meine Freundin stammt aus der Ukraine und hält eine Wehrpflicht für Mann und Frau in Deutschland für essentiell.

Eine Wehrpflicht ist sinnvoll, müsste jedoch an den westlichen Individualismus angepasst werden. Die Bundeswehr muss für Karrierechancen und Status stehen. Die meisten Jugendlichen reizt die deutsche Bundeswehr recht wenig, vor allem für Frauen gibt es kaum Gründe, der Bundeswehr beizutreten. In Amerika ist das Militär schon lange eine angesehene Karriereleiter.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich ein Bewusstsein für Rüstung und Sicherheit einstellt, die Skepsis allerdings noch weit verbreitet ist. 

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