Gleiches Recht für alle

Das Auto braucht auch auf dem Lande Raum zum Parken
Foto: privat

Kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland macht die FDP als Pro-Autopartei von sich reden, unter anderem mit einer Park-Flatrate in Innenstädten. Unsere Kolumnistin Antje Schrupp nimmt die Thematik auf und macht Ihrerseits erfahrungsgesättigte Vorschläge zum Thema Parkraum – auf dem Lande … 

Als Stadtbewohnerin - ich lebe im Zentrum von Frankfurt am Main - habe ich ein paar Anmerkungen zum neuesten Vorschlag der FDP, Deutschlands Großstädte wieder autofreundlicher zu machen. Sie haben es wahrscheinlich mitbekommen: Die FDP will mehr Autos in die Innenstadt locken. Parkhäuser sollen kostenlos sein oder Flatrates anbieten, Fahrradstraßen und Fußgängerzonen kommen weg, damit die Autos freier rollen können, Jugendliche dürfen schon ab 16 hinters Steuer, und mehr Digitalisierung sorgt dafür, dass man als Autofahrer nicht dauernd von roten Ampeln in seiner Freiheit beschnitten wird. Motto: „Fahrplan Zukunft: Eine Politik für das Auto“.

Es ist nicht ganz klar, ob diese Vorschläge ernst gemeint sind oder ein Verzweiflungs-Move, um bei den anstehenden Landtagswahlen vielleicht doch auf fünf Prozent zu kommen. Andererseits ist es heutzutage nicht mehr auszuschließen, dass auch zunächst absurd wirkende Vorschläge, die bei vernünftigen Leuten erstmal nur für Kopfschütteln sorgen, am Ende tatsächlich umgesetzt werden, so wie die Abschaffung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den USA.

Meinetwegen, sagen wir halt Adé zum Traum von einer autofreien Innenstadt. Immerhin habe ich schon eine ganz gute Vorstellung davon, was auf uns zukommt. Vor einigen Jahren war ich in Detroit, vielleicht die autofreundlichste Stadt unter den sowieso recht autofreundlichen Städten Amerikas. Damals habe ich wirklich gestaunt, weil ich mir das aus deutscher Perspektive nicht hatte vorstellen können. Tatsächlich gab es immer und überall genug Parkplätze. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie etwas gekostet haben, aber wenn, kann es nicht viel gewesen sein. Gefühlt jedes fünfte Gebäude war ein Parkhaus, sie waren einfach überall. Bürohaus, Shoppingcenter, Parkhaus, Bürohaus, Bürohaus, Parkhaus, Shoppingcenter. Echt bequem. Außerhalb der City war jedes Gebäude von einem geräumigen Parkplatz umgeben, jedes Restaurant, jedes Geschäft, jedes Hotel, ein Paradies. 

Konsequent alles zum Parkhaus umgebaut

In Detroit haben sie die Vision der autofreundlichen Stadt eben wirklich zu Ende gedacht. Sie haben konsequent alles zum Parkhaus umgebaut, was nicht rechtzeitig zerfallen ist. Sie haben jede freie Fläche von mehr als vier Quadratmetern als Parkplatz ausgewiesen. So geht Autostadt!

Eine besondere Sehenswürdigkeit, die in jedem Detroit-Reiseführer steht, ist das Michigan-Filmtheater, ein historisches Kino aus den 1920er-Jahren. Pompöse Kulisse mit Kronleuchtern, Stuck, Säulenhallen. Ab den 1960er-Jahren ging‘s jedoch bergab, viele Leuten zogen aus der Innenstadt hinaus aufs Land, und die Kinobesuche brachen entsprechend ein. Mitte der 1970er-Jahre wurde das Haus dann geschlossen. Aber nicht für lange. Denn die vielen Leute, die ins Umland gezogen waren, brauchten jetzt Parkplätze, wenn sie in der Innenstadt etwas zu erledigen hatten. Was lag also näher, als das ehemalige Filmtheater zum Parkhaus umzubauen? Wir haben es vor allem besucht, weil es ein Schauplatz in Jim Jarmuschs Film „Only Lovers Left Alive“ ist. Aber war schon interessant.

Museumsbesuch der anderen Art

Das Michigan Theatre ist nicht das einzige Parkhaus, das man in Detroit besichtigen sollte. Sehenswert ist auch die Z Parking Garage, wo es auf jeder der zehn Etagen Werke verschiedener Street-Art-Künstler*innen zu bestaunen gibt. Wir sind mit dem Aufzug nach ganz oben gefahren und dann alle zehn Stockwerke auf den typischen Parkhaus-Schleifen runtergelaufen, ein Museumsbesuch der anderen Art und außerdem kostenlos. Auch nicht schlecht. Zur Belohnung gab es zwischendurch den ein oder anderen Oldtimer zu bewundern - und zwar die richtig alten schwarzen, die noch aussehen wie Pferdekutschen. Sie parkten dort ganz regulär, mit Nummernschild und allem Pipapo.

Also nein, ich bin keine sauertöpfische Anti-Auto-Aktivistin, die die ganze Welt in die Straßenbahn zwingen will. Von mir aus können wir auch in Frankfurt jedes fünfte Gebäude in ein Parkhaus umwandeln. Ich weiß zwar nicht, wie wir die Immobilien dafür leer kriegen sollen, denn momentan ziehen die Leute ja eher nicht aus Frankfurt weg, sondern nach Frankfurt rein. Aber die FDP hat dafür sicher eine Lösung. Enteignen vielleicht?

Mich beschäftigt etwas anderes, nämlich die absolut unbefriedigende Parkplatzsituation auf dem Land! Ja, richtig gelesen. Es ist keineswegs so, dass es auf dem Land Parkplätze in Hülle und Fülle gibt. Ich weiß das, weil wir regelmäßig aus der Stadt rausfahren, um im Spessart zu wandern. Und oft suchen wir verzweifelt einen Parkplatz in einem der vielen kleinen Dörfer. Da gibt‘s aber keinen. Die Gassen sind so eng, dass man darauf unmöglich ein Auto abstellen kann. Und jedes Haus hat eine eigene private Garage. Öffentliche Parkmöglichkeiten Fehlanzeige! 

Ich bin der Meinung: Wenn schon, denn schon. Wenn wir in der Stadt unsere Gebäude in Parkhäuser für Dorfbewohner umwandeln sollen, die hier bequem shoppen wollen, dann sollen bitte schön die Dörfer auch verpflichtet sein, Parkplätze für uns Stadtbewohnerinnen bereitzuhalten, wenn es uns mal raus in die Natur zieht. Gleiches Recht für alle.

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