Elementar

Ein neuer Herlyn

Was hat den Neukirchener Verlag nur geritten, Herlyns Taufbuch erst nach dem von der EKD ausgerufenen „Jahr der Taufe“ so spät erscheinen zu lassen? Es hätte einiges an Unfug verhüten können. Zwar liegen alle relevanten Erkenntnisse zur Taufe seit geraumer Zeit auf dem Tisch. Argumente und Gegenargumente zu einzelnen Aspekten, etwa der Frage nach einem angemessenen Taufalter, sind jedermann seit langem zugänglich. Unterschiede und Zusammenhänge zwischen Taufe und Segen sind weidlich geklärt. Warum also nun noch ein neues Taufbuch? Die Antwort liegt schlicht an einer dem Autor gegebenen außerordentlichen Gabe, auch komplexe theologische Sachverhalte zu elementarisieren. Doch was heißt das?

Elementarisierung bedeutet die Konzentration auf das Elementare, nämlich das Einfache, Grundlegende, Notwendige eines theologischen Zusammenhangs. Bei der Zurückführung auf das Elementare geht es um eine Konzentration aus dem Bereich abstrahierenden Redens auf die diesem Reden zugrundeliegenden Wahrnehmungsinhalte des Autors und die Erfahrungswirklichkeit der Angesprochenen – im Horizont eines Textes aus der Bibel.

Es gibt kaum einen anderen, dem diese Gabe so gegeben ist wie Okko Herlyn. Wer nicht weiß, wie er Lebenswirklichkeiten und Glaubenswahrheiten zusammenbekommen soll, lese Herlyns Texte. Und warum sollte die Lektüre eines theologischen Textes nicht auch einmal unterhaltsam sein?

Herlyns Taufbuch beginnt auf einem Parkplatz am Supermarkt. Eine Zufallsbegegnung zwischen einem jungen, volkskirchlich gesehen eher „am Rande“ befindlichen Elternpaar und dem Gemeindepfarrer. Im Laufe des Buches begleiten wir nun die drei Protagonisten durch die verschiedenen zu klärenden Tauffragen: Warum überhaupt Taufe? Was hat es mit dem Wasser auf sich? Kinder- oder Erwachsenentaufe? Wozu Taufpaten? Wie den Taufgottesdienst gestalten? Was hat man unter einer christlichen Erziehung zu verstehen? Und nicht zuletzt: Welche Bedeutung hat eigentlich das Getauftsein für den Alltag des Lebens?

Auffallend: Jede einzelne Frage wird eingehend biblisch bedacht. Dabei finden nicht nur die bekannten Taufgeschichten etwa in der Apostelgeschichte Erwähnung, sondern auch die mitunter schwierigen Taufbilder der neutestamentlichen Briefe, etwa die des „Begrabenwerdens“, der „Reinwaschung“, der „Wiedergeburt“, des „Anziehens“, der „Salbung“, der „Versiegelung“ oder der „Beschneidung“.

Gut reformatorisch ist der theologische Kern von Herlyns Taufverständnis Gottes in Jesus Christus unverbrüchlich gesprochenes Ja zu uns Menschen, zu dem sich der Täufling seinerseits mit seinem Ja bekennt. So wie er es in seinem bekannten Tauflied selber formuliert hat: „Ich sage Ja und Amen, weil gewiss: Ein andres Ja schon längst gesprochen ist.“ Auf dieser theologischen Grundlage können dann die mancherlei anderen Fragen rund um die Taufe relativ entspannt angegangen werden, verliert zum Beispiel der bekannte Konflikt Kinder-/Erwachsenentaufe eine mitunter spalterische Dramatik. Mit Gründen plädiert Herlyn dafür, diese Frage nicht dogmatisch vorweg, sondern situationsbezogen zu entscheiden. Für jedes Taufalter gebe es schließlich gute Argumente und bedenkenswerte Gegenargumente.

Ein Highlight des Buches ist sicher das Schlusskapitel über die Bedeutung des Getauftseins über den Tauftag hinaus. Herlyn wartet hier mit Beispielen aus dem Alltag auf, die an Bonhoeffers berühmtes Diktum erinnern, wonach „Gott mitten in unserem Leben jenseitig“ ist. Taufe. Ich sage Ja ist kein Buch für Theologen, die bereits bestens informiert sind. Es ist ein Buch für Eltern, die sich Gedanken über die Taufe ihres Kindes machen, für begleitende Patinnen und Paten, für suchende Erwachsene, die die eigene Taufe verstehen wollen, und nicht zuletzt auch für Pfarrerinnen und Pfarrer, die mit solchen Menschen in ein produktives Taufgespräch eintreten möchten.

Ist Herlyns Buch wissenschaftlich genug? Nicht für den, der etwa Eberhard Jüngels Buch Gott als Geheimnis der Welt für hinreichend in Sachen Gotteslehre und Liebe hält. Aber kann ich dieses Buch meinen drei erwachsenen Kindern geben, um ihnen zu erklären, warum sie einst getauft wurden? Herlyns Taufbuch ist mir dazu nun eine willkommene Hilfe.

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