Gegen eine Kirche zum Fürchten

Manche katholische Theologiestudierende haben Angst davor, ihre Meinung zu sagen
Foto: Prinz

Angst ist nicht immer rational. Angst kommt manchmal ganz plötzlich, ohne dass man genau weiß, warum oder wieso. Manchmal verschwindet sie auch wieder schnell. Ohne Erklärung. Aber manchmal bleibt sie auch. Ist immer irgendwie da, nicht unbedingt an der Oberfläche, aber doch im Hintergrund, im Hinterkopf. Manchmal ganz leise, kaum existent, und dann wieder so laut, dass alles andere in diesem Moment ganz klein und unwichtig erscheint. Angst braucht Raum, Angst geht auf Kosten von anderen Dingen.

Wenn die Angst nicht da ist, erscheinen die Gründe, aus denen man sie empfindet, oft einfach lächerlich. Das ist doch nichts, vor dem man Angst haben muss, Angst haben soll. Aber Angst ist eben nicht rational. Und wenn sie kommt, dann erscheinen diese „kleinen“ Gründe unüberwindbar. Furchteinflößend. Angstmachend.

Auch Theologiestudierende haben Angst. Nicht nur die Angst, Prüfungen nicht zu schaffen, sondern eine Angst, die ihre ganz persönlichen Ansichten betrifft. Angst, Ärger zu bekommen, weil sie ihre Meinung sagen. Angst, später keinen Job zu finden, weil sie sich kirchenpolitisch auf der „falschen“ Seite positionieren. Angst, einen unwiderruflichen Stempel aufgedrückt zu bekommen, weil sie kirchenpolitische Aktionen setzen. Häretisch! Nicht mehr katholisch!

Da ist die Angst, in der Universität offen zu sagen, was man denkt. Es gibt die Momente, da überlegt man zweimal, was man sagt. Denn man weiß, wie der Professor denkt, man weiß, dass man bei der Professorin noch eine Prüfung machen muss. Aber, touché, diese Überlegungen gibt es bei Studierenden aller kirchenpolitischen Richtungen. Aber dann ist da noch die andere Angst. Die Angst, die mit dem Später zusammenhängt. Mit Berufsrisiken und Existenzen. „Ich habe nur manchmal ein bisschen Angst, da ich ja später in den kirchlichen Dienst gehen möchte“, hat mir einmal eine Freundin geschrieben, die in Deutschland Theologie studiert. Und das nicht in einem Kontext, in dem wir einen Sturm auf den Vatikan geplant hätten. Ganz ohne konkrete Vorstellungen ging es um kirchenpolitisches Engagement. Um das Thematisieren von Ungleichberechtigung und Diskriminierung. Dabei taucht Angst auf. Werde ich das später bereuen?

Am deutlichsten wird das bei denen, die in die wissenschaftliche Theologie an den Universitäten einsteigen möchten. Denn immer wieder wird ein Nihil Obstat, die päpstliche Lehrerlaubnis für Professor*innen an katholisch-theologischen Fakultäten, beeinsprucht und auch verwehrt.

Das macht etwas mit Studierenden. Wenn Professor*innen raten, bestimmte Themen lieber nicht in Abschlussarbeiten zu behandeln, weil das negative Auswirkungen auf eine spätere wissenschaftliche Karriere hat. Da sinkt das wissenschaftliche Niveau, weil manche Themen nicht behandelt werden. Es schädigt Menschen und Karrieren, schädigt das Vertrauen in die katholische Kirche.

Aber auch abseits des wissenschaftlichen Bereichs verstummt die Angst nicht. Als Theologiestudentin weiß ich schon heute, dass ich in der Pfarrei oder in der Diözese einmal einen Priester als Chef über mir haben werde. Egal, wie gut ich ausgebildet bin, wie gut ich meine Arbeit mache, als Frau kann ich in der katholischen Kirche nicht geweiht werden. Und bin in der Hierarchie Kleriker – Lai*innen so automatisch unten.

Diese Ängste werden kleiner, wenn man mit Priestern interagiert, die genauso für Gleichberechtigung und Mitbestimmung eintreten. Und sie werden stärker, wenn man Briefe von Priestern bekommt, die einem die Hölle prophezeien, weil man Mitglied einer Kirchenreforminitiative ist.

Und so überlegt man sich zweimal, ob man einen Text veröffentlicht, in dem man den Vatikan kritisiert, ob man auf einem Foto einer queeren Aktionsgruppe zu sehen sein möchte und ob man bei einem kirchenkritischen Theaterstück mitspielt und sich dafür als Bischöfin verkleidet. Denn das Internet vergisst nicht. Werde ich es bereuen?

Ich weiß, dass ich keine Angst haben sollte. Ich sollte mutig zu meiner Meinung stehen. Sollte für meine Überzeugungen eintreten. Manchmal tue ich das. Habe keine Angst, sondern stehe zu meinen Meinungen und handle dementsprechend. Aber manchmal ist die Angst da und geht nicht mehr weg. In solchen Momenten fahre ich mein Engagement zurück, schweige, verrate Werte.

Oft kennt man den genauen Grund für Angst nicht. Aber hier ist er eindeutig: Grund ist eine Kirche, die Gewaltenteilung und Mitbestimmung nicht kennt. Die durch den Ausschluss der Frauen von den Weiheämtern eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen hat. Die Diskriminierung nicht nur nicht unterbindet, sondern durch ihre Strukturen fördert.

Und das führt zu Angst. Angst vor der Zukunft, Angst um die Existenz, Angst um die Meinungsfreiheit und um das eigene Gewissen, wenn man wieder einmal schweigt. Angst, die die Kirche über kurz oder lang zerstören wird. Denn wer immer Angst hat, ist irgendwann weg.

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.
Foto: Prinz

Marlies Prinz

Marlies Prinz studiert katholische Fachtheologie in Innsbruck und ist bei der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ engagiert.


Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Theologie"