Die E-Pioniere von Accra

Unterwegs mit einem Elektrotaxi in Ghanas Hauptstadt
Mit seinem E-Taxi aus China will Frederick Monsah seinen Beitrag zu Klimaschutz und sauberer Stadtluft leisten.
Foto: Jörg Böthling
Mit seinem E-Taxi aus China will Frederick Monsah seinen Beitrag zu Klimaschutz und sauberer Stadtluft leisten.

Die Sonne scheint oft über Ghana, Solaranlagen zur Stromerzeugung lohnen sich schnell. Einige Unternehmer wollen das nutzen und so die Energie- und Mobilitätswende voranbringen. Einer davon ist der Taxifahrer Frederick Monsah, der eines der noch wenigen E-Taxis in Ghana fährt.

In zwei Minuten soll das online angeheuerte Taxi mit dem Kennzeichen „GE 4024–23“ kommen, das uns zu unserem Termin im Westen von Accra, der Hauptstadt von Ghana, bringen soll. Und dann fährt Frederick Monsah vor. Sein Fahrzeug ist leise, türkisfarben, blitzeblank. Wir steigen ein, er fährt los. Der Motor brummt aber nicht auf. Frederick freut sich über unsere Verwunderung. „Ja, das ist ein elektrisches Modell.“ Seelenruhig fährt uns der 35-Jährige durch die verstopften und oft arg ramponierten Straßen Accras. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein E-Taxi uns abholen würde, war sehr gering, gibt es doch in ganz Ghana zum Beginn des Jahres 2024 „nur“ rund 100 E-Automobile und davon wiederum nur eine Handvoll, die auch im Taxigewerbe im Einsatz sind.

Accra
Foto: Jörg Böthling

Beeindruckt von Frederick und seinem smarten Dongfeng, was übersetzt so viel heißt wie „Ostwind“, verabreden wir uns zu einem Treffen ein paar Tage später. Frederick kommt aus dem 150 Kilometer entfernten Nkowkow, wo er mit seiner schwangeren Frau Benedikta, einer Lehrerin, und seinem Sohn wohnt, allerdings nur am Wochenende. Montags fährt er dann alleine nach Accra zurück, um als Taxifahrer und als Entrepreneur für die zähe Pionierarbeit einer Elektrifizierung des ghanaischen Verkehrs zu arbeiten. Früher war er bei einer Bank beschäftigt, aber das hat ihn gelangweilt. „Ich wollte etwas anderes machen, selbst entscheiden, wie viel ich arbeite und für was ich mich eigentlich engagiere. Ich wollte etwas Sinnvolles machen“, betont er.

Im Dienst der Nation

Wir fahren zu seiner „Mutter“-Ladestation, zu seinem Geschäftspartner Peter Egyin-Mensah und seiner Firma Ijanu im Stadtteil Nord Industrial Area. Auf der Ladeanzeige des Fahrzeugs steht „18 Prozent“, es wird also langsam Zeit, neu aufzuladen. Wir fahren auf den Parkplatz, ein Schild mit der Aufschrift „Harnessing Africa“ ist zu sehen, nebenan steht ein Tesla. Doch die Schnellladestation ist außer Betrieb. Es gebe technische Probleme, an denen man gerade arbeite, aber noch nicht fertig geworden sei, sagt Peter. Dann eben normal laden, dauert halt ein bisschen länger.

In Peters Büro hängt in großen Lettern ein Zitat von Kwame Krumah, dem ersten Präsidenten des unabhängigen Ghana. Dort steht auf Englisch: „Zu diesem Zweck braucht Afrika einen neuen Bürgertypus, einen engagierten, bescheidenen, ehrlichen und informierten Menschen. Ein Mensch, der in den Dienst an der Nation und der Menschheit eintaucht. Ein Mensch, der Gier verabscheut und Eitelkeit verachtet. Ein neuer Typus von Mensch, dessen Demut seine Stärke und dessen Integrität seine Größe ist.“

Sieben Autos

Gänsehaut beim Lesen. „Ich sah ein Problem. Die Welt wird elektrifiziert, aber was passiert hier bei uns, vor Ort, in Ghana?“, erzählt Peter. Er berichtet von eklatanten Defiziten und seiner kühnen Idee, selbst in die Elektromobilität einzusteigen. Aus der Idee wurde Tat. Peter gründete vor vier Jahren, kurz vor Corona, die Firma Ijanu, die mittlerweile fünf feste Mitarbeiter und sechs Teilzeitkräfte zählt. Damit gehören Peter und sein Team zu den E-Mobilitäts-Pionieren in Ghana, einem westafrikanischen Land, welches das Pariser Klimaabkommen von 2015 zwar unterschrieben hat, aber bisher dem Strom aus erneuerbaren Energien immer noch keine nachhaltigen Vergütungen gewährt.

Zapfsäule
Foto: Jörg Böthling

Auch an dieser von Deutschland mitfinanzierten Biogasanlage gibt es sauberen Strom für das Taxi.

Peter hat mit seiner Unternehmung mittlerweile sieben E-Autos auf die Straße gebracht. Eines davon ist das von Frederick, der sein Auto von Ijanu geleast hat. Nach sechs Jahren Mietkauf-Raten, so die Kalkulation, wird er sein Auto dann zu einem günstigen Preis erwerben können. Der Mittdreißiger könnte sich das Auto neu zum Anschaffungspreis von rund 18 000 Euro nicht kaufen. Nur über das Leasing-Modell funktioniert es. Der Stromantrieb ist im Vergleich zu Benzin oder Diesel um zwei Drittel günstiger. „Wir sind inzwischen, nach schwierigen Corona-Zeiten, auf einem guten Weg, wir wollen unsere Flotte noch in diesem Jahr auf 25 Fahrzeuge, vielleicht sogar 50 aufstocken“, blickt Peter derweil optimistisch in die Zukunft. Dabei gibt es weiterhin genug Probleme und Herausforderungen, wie die hohe, größtenteils importierte Inflation, von denen sich Peter & Co. aber nicht kleinkriegen lassen wollen.

Peter Egyin-Mensah investiert in Solarstrom und Ladestationen. Und vielleicht kommt bald noch ein Windrad hinzu.
Foto: Jörg Böthling

Peter Egyin-Mensah investiert in Solarstrom und Ladestationen. Und vielleicht kommt bald noch ein Windrad hinzu.

Auf dem Flachdach des angemieteten Firmengebäudes ist eine PV-Anlage, ebenfalls aus China, installiert. Sie liefert seit April 2023 mit einer Leistung von 30 kWp zuverlässig Strom. Die Kosten für die In­stallation pro kW beziffert Peter auf etwas mehr als 400 Euro. Die Strommenge für das erste Jahr der Einspeisung prognostiziert Peter mit rund 38 000 Kilowattstunden, verglichen mit PV-Anlagen in hiesigen Breiten liegt der Ertrag um rund ein Viertel höher. Die PV-Anlage ist über eine 60-kWh-Lithium-Ionen-Batterie mit der Ladestation verbunden. Wenn der selbstproduzierte Grünstrom fürs Laden nicht ausreicht, wird auf Strom aus dem Netz der Electricity Company of Ghana zurückgegriffen. Wenn es einen Überschuss an Sonnenstrom gibt, kann Ijanu zwar ins Netz einspeisen, erhält dafür aber keine Vergütung. Dafür kostet eine Kilowattstunde aus dem Netz, leicht variierend ob nun nachts oder tags bezogen, umgerechnet rund 0,25 Euro pro. Gar nicht wenig, verglichen mit den übrigen ökonomischen Kennziffern Ghanas.

Auch über eine kleine Windkraftanlage denkt er mit seinen Kollegen nach. Diese möchte er in ein eigenes Mini-Stromnetz integrieren; ihm schwebt ein Modell in etwa einer Größe von 20 kW vor. „Allerdings haben wir hier in Ghana, besonders außerhalb von Accra, ein echtes Infrastrukturproblem für unsere E-Mobilität, weil wir bisher einfach nicht ausreichend Ladestationen haben“, so Peter, der sich trotz des winzigen Marktes mit Konkurrenten messen muss. Aber er sieht es sportlich: Wettbewerb animiert. Tatsächlich gibt es in ganz Accra nur zehn relativ schnelle Ladestation mit Wechselstrom und nur eine einzige echte Schnellladebuchse mit Gleichstrom. Die drei, vier Teslas, die in der Hauptstadt angemeldet sind, stehen denn auch regelmäßig vor der Tür von Ijanu – vorausgesetzt, die Schnellladesäule funktioniert. Manchmal gibt es auch kleine Staus vor seinen Ladesäulen. „Man glaubt es kaum, aber es gibt einen großen Appetit für Transition in Ghana“, sagt Peter. Er erwartet eine rasante Entwicklung im E-Auto-Markt.

Zapfanlage
Foto: Jörg Böthling

Ob dies mit einer Liberalisierung des bislang ziemlich monopolisierten Energiemarktes in Ghana einhergeht, das bezweifelt er allerdings: „Solche Vorstöße gingen in der Vergangenheit fast immer zum Nachteil der einfachen Verbraucher“, so Peter ernüchtert.

Stau und Staub

Wir sind wieder on the road mit Frederick. In Richtung Norden, etwas außerhalb von Accra ist eine große Baustelle chinesischer Firmen, die einen neuen Abschnitt der Autobahn zur zweitgrößten Stadt Ghanas, nach Kumasi, bauen. Stau, Staub und eine merkwürdige Straßenumleitung machen die Tour zur Tortur. Manchmal steht der Verkehr gänzlich, dann zwängen sich fliegende Händlerinnen mit Mangos, Süßigkeiten, Wasser oder Kokosnüssen zwischen die Autos. In Nkowkow angekommen, machen wir am Abend bei seiner Familie eine nächtliche Ladepause. Während er seinen Dongfeng vor dem Haus parkt, lässt seine Frau Benedicta das Ladekabel vom Balkon aus dem ersten Stock herunter, und Frederick stöpselt das Ladekabel an den Stecker im Auto. Am nächsten Morgen fährt uns Frederick nach Kumasi, wo wir eine neue Biogasanlage – mitfinanziert von der Bundesrepublik Deutschland – besuchen. Als er die überdachte Ladestation bei einem Lithium-Ionen-Batteriespeicher vor Laborräumen der Biogasanlage entdeckt, ist unser E-Taxi-Pionier völlig aus dem Häuschen. „Unglaublich, dass ich von dieser Schnellladestation nichts weiß, das ist ja fantastisch.“ Darf er hier aufladen? Der Mitarbeiter verweist auf die große Photovoltaikanlage auf dem Dach: „Gar kein Problem, mach, wir haben Strom genug.“ 

Zapfsäule
Foto: Jörg Böthling

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Jörg Böthling

Jörg Böthling begann 1985 als Seemann auf Fahrten nach Afrika und Asien zu fotografieren. Er studierte Fotografie an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und arbeitet als Freelancer. 


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