Aufarbeitung geleistet

Wie sich die „Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche“ (HuK) ihrer schwierigen Vergangenheit in Sachen Pädosexualität stellte
Stand der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) auf dem Ausstellungsgelände des 97. Deutschen Katholikentags in Osnabrück am 23. Mai 2008.
Foto: picture alliance
Stand der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) auf dem Ausstellungsgelände des 97. Deutschen Katholikentags in Osnabrück am 23. Mai 2008.

Aufarbeitung gilt es an vielen Orten zu leisten, besonders momentan im Raum der evangelischen Kirche. Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKD, hat über die Bemühungen der Gruppe „Homosexuelle und Kirche“ in Sachen Aufarbeitung einer problematischen Vergangenheit mit dem Historiker Klaus Große Kracht  in einem Podcast gesprochen.

Die „Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche“ (HuK) setzt sich seit langem für Gleichberechtigung ein. In den deutschen Kirchen hat sie damit viel bewirkt. Nun aber hat sie einen verstörenden Aspekt ihrer Geschichte aufarbeiten lassen: ihre fehlende Abgrenzung von Pädosexuellen bis 1997. Nun hat der Zeithistoriker Klaus Große Kracht dazu in ihrem Auftrag eine Studie verfasst. Sie hat mich aus mehreren Gründen überzeugt. Ich denke, dass man auch für andere Aufarbeitungen von ihr lernen kann.

Erstens war die HuK ernsthaft an einer Aufarbeitung interessiert, unterstützte den Historiker, mischte sich aber nicht seine Arbeit ein.

Zweitens wurde offenkundig zu Beginn geklärt, mit welchen Mitteln und in welchem Umfang gearbeitet werden sollte. Die HuK ist schließlich ein kleiner Verein mit begrenzten Mitteln. Nicht selten wird dies in Feld geführt, um sich der Aufgabe zu entziehen. Hier aber gab es den Glücksfall, dass ein kundiger Wissenschaftler bereitstand, weil dieses Thema gerade in sein Arbeitsprogramm passte. Herausgekommen ist schließlich ein bündiger, gut geschriebener Forschungsaufsatz, den man in einer überschaubaren Zeit lesen und dabei viel lernen kann.

Klarer Fokus

Drittens hatte Klaus Große Kracht einen klaren thematischen und zeitlichen Fokus – und die Quellen, mit deren Hilfe er Erkenntnis zu Tage fördern konnte. Vor allem mit den sehr informativen Publikationen der HuK seit ihrer Gründung 1977 konnte er die Diskurse um Emanzipation, „sexuelle Revolution“, Homosexualität und Pädosexualität nachvollziehen.

Viertens kommt Große Kracht zu interessanten Ergebnissen. Zum Beispiel, dass es einer Intervention der UNO bedurfte, damit sich die HuK endlich von Pädosexuellen distanzierte. Im Sommer 1994 nämlich hatte die „International Lesbian and Gay Association“ (ILGA), die internationale Dachorganisation der Schwulen- und Lesbenbewegung, einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst, weil sie nur so von der UNO als Partnerorganisation anerkannt werden konnte – womit sie die Schwulen-Organisationen in Deutschland unter Zugzwang setzte. Oder die Bedeutung der Kritik von Frauen. Denn Feministinnen und lesbische Aktivistinnen machten den schwulen Männern sehr deutlich, dass es einvernehmlichen Sex zwischen Männern und Kindern nicht geben kann.

Widersprüche aushalten

Fünftens zeichnet diese Studie der Wille zur Differenzierung aus. Klar werden die Leistungen der HuK benannt, ebenso klar die hochproblematische Nähe zu pädosexuellen Positionen. Beides widerspricht sich und gehört doch zusammen. Deshalb ist es ihm wichtig, dass wir in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt eine Balance finden. Einerseits muss Unrecht klar benannt und entschlossen bearbeitet werden. Andererseits sollten wir uns das Recht bewahren, zu differenzieren und Widersprüche auszuhalten. Historische Forschung kann dazu einen Beitrag leisten. Indem Große Kracht nicht skandalisiert sondern analysiert, leistet er einen wichtigen Beitrag zur Urteilsbildung, der in ähnlicher Weise auch für andere Bereiche des kirchlichen Lebens wichtig sein kann.

In dem Podcast „Draußen mit Claussen“ können Sie das Gespräch des Autors mit Klaus Große Kracht nachhören. Die Studie von Klaus Große Kracht zur HuK finden Sie hier.

 

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Foto: EKDKultur/Schoelzel

Johann Hinrich Claussen

Johann Hinrich Claussen ist seit 2016 Kulturbeauftragter der EKD. Zuvor war er Propst und Hauptpastor in Hamburg.


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