Glaubenszeuge

75. Todestag von Paul Schneider
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Insgesamt ist ein dokumentierendes Buch entstanden, das gerade auch die jüngere Generation einlädt, dem Lebensweg dieses Glaubenszeugen nachzuspüren.

Die römische Basilika San Bartolomeo auf der Tiberinsel ist ein Gedächtnisort für die Glaubenszeugen des 20. und 21. Jahrhunderts. Seit 2003 wird in ihr auch an den vor 75 Jahren, am 18. Juli 1939, im KZ Buchenwald ermordeten evangelischen Pfarrer Paul Schneider erinnert. Ihn hatte Papst Johannes Paul II. im Jahre 2000 stellvertretend für alle christlichen Märtyrer in der Zeit des Nationalsozialismus gewürdigt, die die Treue zum christlichen Glauben mit ihrem Leben bezahlt haben. Eine ökumenische Ikone in der Apsis der Basilika mit einer Darstellung von über 150 Glaubenszeugen zeigt in der Bildmitte, unmittelbar unter der Osterkerze, Paul Schneider in seiner Arrestzelle in Buchenwald, der seinen Mithäftlingen zuruft: "Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt."

Die von seiner Witwe Margarete Schneider nach dem Krieg verfasste Biografie "Der Prediger von Buchenwald" basierte auf eigenen Erinnerungen und Tagebuchnotizen, aber auch auf Briefen und Predigten ihres Mannes. Das Originalbuch wurde in späteren Auflagen vielfältig ergänzt und erweitert. Auch wurden die Lebensstationen Schneiders detaillierter in den Kontext der geschichtlichen und kirchengeschichtlichen Ereignisse gesetzt. Insgesamt ist ein dokumentierendes Buch - jetzt als gebundene Sonderausgabe zum 75. Todestag von Paul Schneider - entstanden, das gerade auch die jüngere Generation einlädt, dem Lebensweg dieses Glaubenszeugen nachzuspüren und ihn, der nicht schweigen konnte, selbst im KZ nicht, verstehen zu lernen.

1897 im Hunsrück geboren, studierte der Pfarrerssohn nach der Kriegsteilnahme Theologie. Bereits als Pfarrer im hessischen Hochelheim (heute: Hüttenberg) und nach 1934 auf seiner zweiten Pfarrstelle in Dickenschied im Hunsrück geriet das Mitglied der Bekennenden Kirche durch sein klares christliches Bekenntnis in Konflikt mit der nsdap. Er passte sich nicht dem Zeitgeist an, sondern folgte seinem Gewissen in christlicher Verantwortung. Mehrfach wurde er verhaftet, zuletzt nach dem Erntedankgottesdienst 1937. Bald darauf wurde Schneider, der sich als "kleines Pastörlein auf dem Hunsrück allein dem Staat gegenüber" empfand, ins KZ Buchenwald eingeliefert. Weil er zu Hitlers Geburtstag im April 1938 das Grüßen der Hakenkreuzfahne verweigerte, kam er in den Arrestzellenbau, den "Bunker". Trotz Einzelhaft und schwerster Folterungen rief Schneider seinen Mitgefangenen aus dem Zellenfenster Trostworte aus der Bibel zu. Auch gegenüber der SS bekannte Schneider unerschrocken den christlichen Glauben. Ernst Cramer, einer der vielen nach den Novemberpogromen 1938 verhafteten Juden, erinnerte sich Jahrzehnte danach an die Stimme Paul Schneiders, als er mit anderen Juden auf dem Appellplatz in Buchenwald antreten musste: "Der Mann hat die Bergpredigt ganz laut gesagt, und als er beim sechsten Punkt "Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen leiden" war, da sprach hinter mir einer ganz leise: Das kann kein Jude sein. Das muss jemand sein, für den die Bergpredigt etwas ganz Besonderes bedeutet. Wir wussten ja nicht, wer es war. Wir haben nur die Stimme gehört, und zwar immer wieder und immer die gleiche Stimme, natürlich unterbrochen durch Schmerzensschreie und Gebrüll von den SS-Leuten, das ist klar. Ich möchte sagen, dass diese christlichen Worte auch den Juden, die damals da waren, irgendwie eine Art Stärke gegeben haben." Paul Schneider, "unser erster Märtyrer" (Dietrich Bonhoeffer), schrie auch für die Juden.

Elsa-Ulrike Ross/Paul Dieterich (Hrsg.): Margarete Schneider: Paul Schneider. Der Prediger von Buchenwald. SCM Häussler Verlag, Holzgerlingen 2014, 560 Seiten, Euro 14,95.

Joachim Rott

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