Gießkannen reichen nicht

Teure Energie braucht gezielte Finanzpolitik
Foto: Rolf Zöllner

Wenn die Preise für fossile Energie steigen, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Denn noch immer zahlen wir für Gas, Benzin und Kohlestrom nicht den Preis, der den ökologischen und gesellschaftlichen Schaden ausgleicht, den sie anrichten. Würden Benzin oder Strom und Wärme aus fossiler Energie teurer, würde das mehr Gerechtigkeit bringen, weil Kosten von der Allgemeinheit auf den jeweiligen Verbraucher umgelegt werden und ein ressourcenschonendes Leben finanziell belohnt wird.

Doch die aktuelle Preisentwicklung im Energiesektor hat leider nichts mit solch ökologischer und ökonomischer Vernunft zu tun. Sie ist Folge der kriegerischen Machtpolitik Russlands und der Trägheit deutscher Energiepolitiker. Deshalb ist es richtig und politisch geboten, in den Markt einzugreifen, Unternehmen wie Uniper (und damit eine stabile Versorgung) über eine Beteiligung des Bundes und die beschlossene (und nachzubessernde) Gasumlage zu retten und gleichzeitig finanzschwache Haushalte mit Blick auf die kommenden Nebenkostenabrechnungen zu entlasten. Das entschärft gesellschaftlichen Sprengstoff.

Wie genau Letzteres geschehen soll, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest, nur dass der Mehrwertsteuersatz auf Gas insgesamt gesenkt werden soll. Eine schnell umsetzbare Lösung. Sie folgt aber erneut dem Gießkannenprinzip, wie schon die 300 Euro, die ab diesem Monat an fast alle Arbeitenden ausgezahlt oder bei der Steuererklärung berücksichtigt werden. Rentner und Rentnerinnen, auch die mit kleinen Bezügen, bleiben aber offiziell außen vor, obwohl auch sie Strom und Gas bezahlen müssen. Gleichzeitig bekommen viele Menschen auch aus oberen Gehaltsklassen das Energiegeld, die es eigentlich nicht wirklich brauchen.

Eine zielgenauere Entlastung, etwa über höheres Wohngeld, wäre da ausgleichender. Oder auch ein Energiegeld, das nur bis zu einer gewissen Einkommensgrenze gezahlt wird. Auch der von der Diakonie geforderte Krisenzuschlag von 100 Euro im Monat für diejenigen, die existenzsichernde Leistungen erhalten, geht in die richtige Richtung. Bleibt zu hoffen, dass so etwas noch kommt. Ebenso auch eine echte steuerliche Entlastung für diejenigen, die zu viel für Wohngeld verdienen, aber zu wenig, um die kommenden Nebenkostenrechnungen mal eben so zu schultern. Bislang greift Bundesfinanzminister Christian Lindner allerdings zur gelben FDP-Gießkanne mit Gutverdiener-Aufsatz und plant vor allem eine Entlastung der oberen Einkommensklassen. Eine Übergewinnsteuer lehnt er hingegen ab.

Notfalleinsätze mit der Gießkanne sind wichtig in besonders hitzigen Phasen, davon können alle Gärtner gerade ein Lied singen. Aber ebenso wie die hohen Temperaturen wird teure Energie auch künftig zum Leben im Klimawandel gehören. Die Bundesregierung muss darauf mit einem schlüssigen finanz- und sozialpolitischen Gesamtkonzept reagieren.

Das erspart natürlich nicht die Suche nach Einsparungsmöglichkeiten, auch nicht bei Kirchengemeinden, die jetzt noch einen mehr Grund haben, in Klimaschutz und Energiesparmaßnahmen zu investieren. In Osterhever in Nordfriesland zum Beispiel hat eine Kirchengemeinde vor drei Jahren die alten Nachtspeicheröfen in der Kirche ersetzt, nicht durch eine Gasheizung, sondern durch heizbaren Sitzpolster in den Bänken. Die Investition hat sich gerechnet. Die Stromkosten pro Gottesdienst sanken von 180 Euro auf einen Euro. 

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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