Noch einmal Luft holen

Betroffenenbeirat kritisiert Zusammenarbeit mit der EKD

Die Bilanz nach sechs Monaten fällt enttäuschend aus, jedenfalls für die Betroffenen. Auch wenn einer von ihnen, Detlev Zander, bereits die bloße Existenz des EKD-Betroffenenbeirates als große Leistung bezeichnet. Ein halbes Jahr nach der Gründung des Gremiums, das Opfer von sexualisierter  Gewalt in der evangelischen Kirche bei der Aufarbeitung des Themas beteiligen soll, zogen drei betroffene Mitglieder Bilanz in einer Online-Pressekonferenz. Und was sie der Evangelischen Kirche in Deutschland vorwerfen, wiegt schwer: Mangel an grundlegender Information und Beteiligung, an technischer Ausstattung und an wertschätzenden Aufwandsentschädigungen. Kurzum: Sie fühlen sich nicht wahrgenommen.

Konkret fordern die Betroffenen eine Teilnahme in den EKD-Gremien wie Rat und Synode, eine deutliche Erhöhung der Aufwandsentschädigung ihres Ehrenamtes auf monatlich siebenhundert Euro und juristische Beratung.

Die EKD hält dagegen und vermeldet, der Beirat sei selbstverständlich an allen laufenden Entscheidungs-prozessen beteiligt. Und sie verspricht eine Erhöhung der monatlichen Aufwandsentschädigung.

Natürlich ist damit noch nicht alles gut. Auch wenn ein Konzept mit Rahmenbedingungen für die Arbeit im Betroffenenbeirat vorliegt, auf das man sich bei Gründung geeinigt hatte.

Zu bedenken ist: Der Beirat war erst im September vergangenen Jahres berufen worden, um Opfer von sexualisierter Gewalt an der Aufarbeitung und Aufklärung zu beteiligen. Und um das von der EKD einberufene Gremium des Beauftragtenrates zu beraten, das sich aus Kirchenjuristen und leitenden Geistlichen zusammensetzt.

Wer die Opfer sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche an der Aufarbeitung beteiligen will, darf die nun geäußerten Vorwürfe nicht auf die leichte Schulter nehmen. Verlässliche Kommunikationsstrukturen zwischen beiden Gremien müssen aufgebaut werden. Dabei werden in der Aufarbeitung immer wieder unterschiedliche Perspektiven zu Tage treten. Das lässt sich nicht auflösen, ist aber notwendig und verlangt allen Beteiligten viel ab.

Die Pandemie hat sicherlich zu Anlaufschwierigkeiten in der Arbeit des Betroffenenbeirates geführt, wie auch Katharina Kracht, Mitglied des Beirates, erläuterte. Vielleicht irritieren die deutlichen Forderungen des  Betroffenenbeirates schon nach sechs Monaten auch deshalb. Denn dass Zusammenarbeit immer ein gemeinsamer Aushandlungsprozess ist, sollte allen klar sein. Dass es dabei manchmal auch der lauten Töne bedarf, damit sich etwas bewegt, versteht sich von selbst.

Aktuell zeigt die Bilanz des Betroffenenbeirates, dass die Aufarbeitung des Themas „Sexualisierte Gewalt“ mit präzisen Fragestellungen und Konzepten fortgeführt werden muss. Den Betroffenen sind Unrecht und dauerhafter Schmerz widerfahren, das lässt sich nicht ungeschehen machen. Eben deshalb müssen der  Betroffenenbeirat und die Evangelische Kirche in Deutschland noch einmal tief Luft holen. Für die Betroffenen. Und danach im intensiven Austausch und durch Arbeit an der Sache die Aufarbeitung und Aufklärung gemeinsam auf den Weg bringen. 

Einen Bericht über die Pressekonferenz des Betroffenenbeirates finden Sie unter zeitzeichen.net/node/8896.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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