Die Klage über die Jugend ist so alt wie die Menschheit und ist wahrscheinlich ein deutliches Zeichen des eigenen Alterungsprozesses. Aber gerade deshalb ist es doch, freundlich ausgedrückt, irritierend, wenn die Jugend konservativer ist als man selbst. Die Ergebnisse der Europawahl unter den jungen Menschen sind da nur eines, wenn auch ein (Ironiemodus off) wirklich beklemmendes Beispiel (Ironiemodus wieder ein).
Auch die eigenen Töchter, obwohl politisch eindeutig links gestrickt, überraschen mit dem, was man Retro- oder Vintage-Style nennen kann, was aber in Wahrheit Plündern bei den Eltern bedeutet.
Das fängt im Kleiderschrank an. Ich habe mir schon ein paar geheime Ecken hinter den Winterpullis angelegt, um zumindest hin und wieder noch zu wissen, wo meine Hemden, Socken und T-Shirts sind. Zum Glück habe ich in letzterer Kategorie keine wertvollen Fan-Shirts von irgendwelchen Konzerten gesammelt, die würden nämlich sonst wahrscheinlich schon längst im Kleiderkreisel der jungen Teenagerdamen herumwirbeln. Denn auch musikalisch bedient sich die Jugend von heute an den sonst so gerne gedissten Boomern. David Bowie, Queen, Nirvana – die Playlists meiner Töchter könnten auch von der Ü50-Party stammen.
Das verhindert zwar, dass Papa sich über zu laute Musik beschwert, weil er selber an seine Jugend denkend im Takt mitwackelt. Doch zur Wahrheit gehört auch: Laute Musik aus dem Kinderzimmer gibt es nicht mehr, seitdem die jungen Leute immer Knöpfe im Ohr tragen wie einst Lieutenant Uhura auf der Brücke des Raumschiff Enterprise. Die drang mit ihrer 400 Mann (und einigen Frauen) starken Besatzung übrigens noch in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte. Aber die Geschichte spielt ja auch im 23. Jahrhundert. Bis dahin ist die Jugend bestimmt wieder offen für Neues. „Beam them up, Scotty!“
Stephan Kosch
Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".