Europa hat gewählt und ist politisch ein Stück weiter nach rechts gerückt. In Deutschland wurden die Zuwächse bei CDU und AfD vor allem als Misstrauensvotum gegenüber der regierenden Ampelkoalition gewertet. Doch wer den Blickwinkel weitet, muss feststellen: Es wurde keine Regierung abgewählt, sondern ein Thema, der Klimaschutz.
Die Sorge um die Folgen der Erderwärmung, der nicht zuletzt Fridays for Future Ausdruck verliehen hatte, hatte noch bei der letzten Europawahl für enorme Gewinne bei den Grünen in Europa gesorgt. Parlament und Kommission setzten dann den „Green Deal“ auf, ein durchaus anspruchsvolles Transformationsprogramm hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft.
Fünf Jahre später aber regiert eine andere Angst an den Wahlurnen, die vor dem wirtschaftlichen Abstieg. Umfragen zeigen, dass vor allem die Wähler:innen der Rechtsaußenparteien hauptsächlich aus diesem Grund ihr Kreuz bei AfD, Fratelli d’Italia oder Rassemblement National gesetzt haben. Sie fürchten, am Ende der wirtschaftlichen Transformation und dem damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen in alten Industriezweigen zu den Verlierern zu zählen. Dabei gibt es zu diesem Umbau keine Alternative, es sei denn, man leugnet den menschengemachten Klimawandel.
Wo bleibt das Klimageld?
Der Nutzen wird sich allerdings erst langfristig zeigen, die Kosten fallen aber jetzt schon an. Das können die aushalten, die über finanzielle und berufliche Sicherheit verfügen und deren Ressourcen den Weitblick erlauben. Wer hingegen angesichts aus vielerlei Gründen steigenden Kosten Angst hat, bald seine Stromrechnung nicht mehr zahlen zu können, wird höhere CO2-Abgaben oder verpflichtende Wärmedämmungen, die als Kosten auf die Miete aufgeschlagen werden, als zusätzliche Bedrohung empfinden.
Dies könnte man politisch lösen, etwa durch das Klimageld, das die Ampelkoalition versprochen hatte und das weiter auf sich warten lässt. Oder durch massive staatliche Investitionen in Öffentlichen Nahverkehr, auf den gerade ärmere Menschen angewiesen sind.
Solche Forderungen listet auch ein gemeinsames Papier von Diakonie Deutschland, der Klima-Allianz und der Nationalen Armutskonferenz auf, das kurz vor der Europawahl veröffentlicht wurde. Es macht deutlich, dass es gerade die Ärmeren in der Gesellschaft sind, die unter mangelnder Klimaschutzpolitik leiden. Schlecht gedämmte Wohnungen sorgen für hohe Heizkosten, Obdachlose sind Wetterextremen besonders ausgesetzt und Hitzewellen sind in zugepflasterten Großsiedlungen gefährlicher für die Gesundheit als im Häuschen am Stadtrand. Es greift eben zu kurz, den Klimaschutz auf die lange Bank zu schieben, weil die Angst vor der Transformation Wähler:innenstimmen kostet. Denn Armutsbekämpfung und Klimaschutz sind zwei Seiten derselben Medaille und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Das gemeinsame Papier von Klima-Allianz Deutschland, Diakonie Deutschland und Nationaler Armutskonferenz kann hier heruntergeladen werden.
Stephan Kosch
Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".