Verbesserung nötig

Sexueller Missbrauch und evangelische Kirche

Wie ärgerlich! Da erscheint in der renommierten Wochenzeitung Die Zeit vor kurzem auf der ersten Seite ein Artikel mit der Überschrift „Sie ist nicht heiliger“. Und gemeint ist „die“ evangelische Kirche, die zumindest in den Augen der Autorin des Leitartikels, der Zeit-Redakteurin Evelyn Finger, durch schleppende Aufarbeitung des Themas Missbrauchs gegenüber der katholischen Kirche abfalle.

Stimmt das? In der Tat hat die evangelische Kirche als nationale Institution in Deutschland spät mit der Aufarbeitung begonnen. Zunächst nur unkoordiniert in einigen Landeskirchen, wobei besonders die Nordkirche nach dem monströsen Missbrauchsskandal in Ahrensburg ab 2010 voranging und bleibende Standards setzte. Erst mit der EKD-Synode 2018 begann eine konzentrierte zentralisierte Befassung mit dem Thema sexualisierte Gewalt. Dabei gab es Rückschläge wie das Scheitern des Betroffenenbeirates im Jahr 2021. Durch die Einrichtung des neuen Betroffenenforums im Jahr 2022 scheint, was das angeht, eine verhältnismäßig gute Lösung gefunden zu sein. Auch wird in Bälde die Veröffentlichung der so genannten Forumsstudie erwartet. Damit läge erstmals eine Analyse evangelischer Strukturen und systemischer Bedingungen, die sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch begünstigen, vor. Dann gäbe es endlich eine tragfähige empirische Basis für weitere Aufarbeitungsschritte der evangelischen Kirche und Diakonie.

Scharfe Kritik

Trotzdem gab es jetzt scharfe Kritik von Kerstin Claus, der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Sie monierte in einem Interview in der Rheinischen Post, dass es im Gegensatz zur römisch-katholischen Kirche bei der evangelischen Kirche kein „übergeordnetes System für Anerkennungszahlungen“ gäbe. Die Regelung liege weiterhin bei „einzelnen Kommissionen in den Landeskirchen“, und diese seien zudem – anders als bei den Katholiken – auch nicht ausschließlich mit Personen besetzt, die nicht bei der Kirche beschäftigt sind.

Insofern bescheinigte Claus der Evangelischen Kirche, sie hinke in ihren Aufklärungsbemühungen „eindeutig“ den Katholiken hinterher. Das gilt auch für die Entschädigungszahlungen. So konnte die „Unabhängige Kommission“ für die katholischen Kirche kürzlich Entschädigungszahlungen von über 300 000 Euro – sogar gerichtlich unterstützt – gegen das Erzbistum Köln durchsetzen. Von ähnlichen Summen ist man auf evangelischer Seite weit entfernt. Auch komme es immer wieder vor, so Claus, dass Betroffene gegenüber evangelischen Stellen „nicht nur die Taten plausibel machen, sondern auch das institutionelle Versagen“ nachweisen sollen.

Sollte dies so sein, wäre es empörend, denn solche „Differenzierung“ ist kaum zu leisten und schon gar nicht von Betroffenen zu verlangen, ja, es erscheint geschmacklos und unangemessen! Hier muss dringend nachgesteuert werden, und das heißt in diesem Falle – auch wenn gerade das Protestanten schwerfällt: Sie sollten noch deutlicher auf EKD-Ebene zentralisiert werden. Guter Wille und gute Worte genügen nicht. Dringend müssen hier konkrete Taten der Verbesserung folgen!

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