Im Juli werde ich zum ersten Mal ein Paar in einer Garage trauen. So etwas entsteht nicht bei Anruf im Amtszimmer der Pfarrerin. Es nimmt seinen Anfang an einer Bierzeltgarnitur. Bianca und Thorsten hatte ich zufällig zu vorgerückter Stunde bei einem Feuerwehrfest im vergangenen Sommer kennengelernt. Sie haben mir mit leuchtenden Augen ihre Kennenlern-Geschichte erzählt. In einer Party-Garage bei einem Freund war alles losgegangen. Dass sie ihre Hochzeit planen erzählten sie auch. Kirchlich zu heiraten hatten sie auch überlegt, aber irgendwie meinten sie, ist der Kirchenraum nicht so der richtige Ort für sie. Als ich ging, sagte ich augenzwinkernd zu den beiden: „Ich trau euch auch in der Partygarage…“ Sie haben das offenbar in ihren Herzen bewegt und vor ein paar Wochen kam dann die Anfrage zu meiner ersten Garagen-Hochzeit. Wir haben uns nun schon ein erstes Mal getroffen, um gemeinsam zu überlegen, wie alles werden könnte mit dem Segen für ihre Liebe an diesem besonderen Ort.
Im vergangenen Sommer habe ich Otis Dean getauft. Da Otis seinen zweiten Vornamen wegen James Dean bekommen hat, durfte natürlich die lebensgroße James-Dean-Figur aus meinem Wohnzimmer nicht fehlen. Nach der Feier machten Otis, seine Eltern, James Dean und ich ein gemeinsames Foto, das ich für facebook verwenden durfte. In dem Beitrag schrieb ich davon, wie wir der Ewigen gedankt haben für dieses Menschenkind und dafür, dass Otis nicht in Offenbach geboren wurde, wie sein Vater zwischenzeitlich befürchtet hatte. Am Ende des Beitrages schrieb ich: „Noch irgendwo ungetaufte Kinder in Großauheim? Eure Pfarrerin ist gerade warmgelaufen. Ich könnte direkt weitermachen…“ Kurze Zeit später schrieb ein Vater in die Kommentare: „Hier wär‘ einer.“ Joel war das. Seine Taufe feierten wir dann einige Wochen später unter einem bunten Regenbogen. Neben Joels Vater hatten noch fünf andere reagiert und auf den post hin wegen einer Taufe angefragt.
Weites Feld
Mit Frau H. hatte ich eigentlich wegen einer ganz anderen Sache Kontakt via facebook. Sie bot etwas zum Verkauf an, was ich gern für die Kirchengemeinde haben wollte. Das Möbelstück war schon verkauft, aber während wir so schrieben, fragte Frau H., ob ich auch nach Hause komme um zu segnen. Klar sagte ich. Vergangenen Samstag habe ich dann die Familie besucht. Von Krankheiten erzählten sie. Dass der Segen die nicht wegzaubert, dass wussten sie, aber da war ein tiefes Vertrauen im Raum, dass es gut ist, um diesen Segen zu bitten und ihn gemeinsam zu spüren.
Für mich zeigt sich in diesen drei Begebenheiten der vergangenen Zeit Relevantes für unsere kirchliche Kasualpraxis. Die Zahlen im Bereich aller Kasualien sind rückläufig. Wer in Amtskirchen-Manier an seinem Schreibtisch auf Kasualanfragen wartet, wird keinen Blumentopf mehr gewinnen. Vielmehr gilt es Kasualien kommunikativ ins Spiel zu bringen. Menschen brauchen Impulse, damit ihr Interesse an einer Taufe oder einer Trauung geweckt wird. Wir, die wir diese Kasualien anbieten, müssen lernen sie eingebettet in ein Beziehungsgeschehen zu denken. Wo schon eine Kommunikation aufgebaut ist, entstehen Chancen Kasualien ins Gespräch zu bringen und Menschen können an diese kirchlichen Angebote individuell Anschluss finden.
Das Feld des Kasualhandelns ist unglaublich weit, viel weiter als die kirchlichen Standartkasualien. Oft wünsche ich mir im Pfarramt viel mehr Freiräume, um aufmerksam sein zu können für Anfragen, die vielleicht ein Ritualangebot von mir bräuchten, für das es aktuell noch keine agendarischen Abläufe in dicken Büchern gibt. Wie das wohl wäre, wenn wir immer die Zeit hätten, mit Menschen kommunikativ zu entwickeln, was jetzt heilsam und lebensdienlich sein könnte. Ich ahne, dieses Land wäre hell und weit mit ungeahnten Möglichkeiten.
Katharina Scholl
Dr. Katharina Scholl ist Studienleiterin am Evangelischen Studienseminar Hofgeismar. Zuvor war sie Gemeindepfarrerin in Hanau-Großauheim.