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Über die Weiße Rose

In der renommierten Reihe „C. H. Beck Wissen“, in der Experten auf knapp bemessenem Raum von gut einhundert Druckseiten Einblicke in wichtige Wissensgebiete geben, hat der Hamburger Theologe Robert M. Zoske nun zum 80. Todestag der Geschwister Scholl eine sehr gelungene Darstellung zum gesamten Verschwörerkreis um die Münchener Widerstandsgruppe vorgelegt. Sie ist gleichermaßen äußerst komprimiert geschrieben wie auch anschaulich und lebendig erzählt, denn der Verfasser kann durchgängig aus seiner hervorragenden Quellenkenntnis schöpfen. Neben biografischen Skizzen zu Hans und Sophie Scholl werden auch die übrigen Akteure des Kreises wie Alexander Schmorell, Willi Graf, Christoph Probst und der Münchener Professor Kurt Huber biografisch mit teilweise neuen Erkenntnissen porträtiert. Darüber hinaus kommen zahlreiche weitere Personen ins Blickfeld, die mehr oder weniger intensiv in die gefährlichen Aktivitäten involviert waren und die deutlich machen, dass es sich bei der Münchener Gruppe um eine sehr weit verzweigte, subversive Vernetzung im Widerstand gegen Hitler handelte.

Insgesamt sechs scharf antinationalsozialistische Flugblätter entstanden im Laufe des Jahres 1942 bis zur Aufdeckung der Gruppe im Februar 1943. Sie wurden in Auflagen von bis zu mehreren tausend Exemplaren mit der Post verschickt oder anders verteilt. Thomas Manns über BBC ausgestrahlte Rundfunkansprachen waren eine wesentliche Quelle für die argumentative Ausrichtung der Flugschriften. Die geistigen Horizonte und politischen Zielsetzungen der Akteure waren keineswegs immer einheitlich. Aber sie forderten generell zum Sturz des verhassten NS-Regimes auf, beriefen sich dabei sowohl auf christliche Werte und Traditionen wie auf allgemein akzeptierte humanistische und kulturelle Motive. Emphatische Aufrufe zur Tat, die „Freiheit“ von der verachteten, mörderischen Diktatur verlangten, standen immer ganz obenan.

Wie in seinen zuvor publizierten Monografien über Hans Scholl (2018) und Sophie Scholl (2020) vermeidet Robert M. Zoske auch in diesem Buch jeden Anflug von Beschönigung, was die biografischen Skizzen der Widerständlerinnen angeht, sondern thematisiert deren Lebensgeschichten ungeschminkt mit allen Widersprüchen und problematischen Seiten. In den Schlusskapiteln befasst sich der Verfasser zu Recht kritisch mit der teils apologetischen Nachkriegsliteratur zum Themenkomplex Scholl und mit manchen problematischen Erscheinungen einer den Geschwistern gewidmeten Erinnerungskultur. Erhellend ist zudem ein zusätzliches Kapitel zum Jugendwiderstand durch Flugblattaktionen während der Kriegszeit. Es zeigt, dass neben der Münchener Gruppe auch in Berlin, in Hamburg und andernorts subversive Vernetzungen ähnlichen Charakters gegen Hitler und den mörderischen Krieg aufbegehrten.

Kurz: ein gelungenes, rundum lesenswertes Buch, das literarisch gekonnt und in knapper Form den historisch bedeutenden Widerstand der Münchener Verschwörergruppe darstellt – eine dringende Leseempfehlung.

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