Deutlich antisemitische Elemente

Wie eine gut gemeinte neue Verfilmung der Passionsgeschichte im Grauen endet
Foto: privat

Das macht neugierig: Zum einen die positiven Presseankündigungen des Films, der am Karfreitag auf YouTube und Bibel-TV und später in neun weiteren Privatsendern über die Osterzeit ausgestrahlt wurde – mit insgesamt 34 Sendeterminen: „Passion 20:21“, so heißt der Film. „Erlebe die Passionsgeschichte neu: in einzigartigem Format und überraschender Perspektive“, heißt es in der Presseankündigung. Und es geht sogar noch besser. „Hilf uns, eine gute alte Geschichte ganz neu für heute zu erzählen – zu Ostern und kostenlos für alle. Am 2. April um 20:15 Uhr in Deinem Wohnzimmer über YouTube.“

Was soll da noch schiefgehen, denkt man sich. Zumal dann noch die Information des christlichen Medienmagazins Pro zu lesen ist, dass das Projekt auch von der katholischen Kirche, den evangelischen Landeskirchen und Freikirchen der Region Allgäu unterstützt werde. Der Hintergrund des groß angekündigten Fernseh- beziehungsweise YouTube-Events ist der: Das Passionsspiel im Festspielhaus von Füssen im Allgäu musste wegen Corona als Theateraufführung abgesagt werden. Deshalb wurde das religiöse Bühnen-Spektakel nun als Film realisiert.

Aber so groß anfangs die Neugier und die Erwartung sind – umso schneller kommt die Enttäuschung, ja das Entsetzen. Warum? Um es vorweg zu nehmen: Es sind nicht die schauspielerischen Leistungen der Theateraufführung. Die sind zu loben. Auch die Inszenierung ist auf den ersten Blick gelungen. Doch je länger der Film dauert, desto mehr wächst das Grauen. Denn vor allem aus theologischer Sicht ist gegen das Drehbuch Einspruch zu erheben.

Das liegt an einem Kniff der Regie, der sich als fatal erweist: Die Rollenverteilung beschränkt sich auf Maria Magdalena, Petrus und Judas, auf die Hohepriester und Pilatus. Sie erzählen die Passionsgeschichte aus ihrer Perspektive. Daran wäre nichts auszusetzen – wenn der Film nicht dadurch, sicherlich ungewollt, auf eine judenfeindliche Rutschbahn geriete, von der er nicht mehr herunterkommt.

Dadurch, dass die Rollen der römischen Soldaten mit ihren vielen gehässigen Beleidigungen und Verspottungen Jesu („Da nahmen die Soldaten Jesus, zogen ihn aus …“, vergleiche Matthäus 17,27 und Parallelen) hier ganz weggelassen wurden, übernimmt fast zwangsläufig der Hohepriester verstärkt und verdichtet die Anklagen. So wird suggeriert, dass die Hohepriester, also die Juden, schuld am Tode Jesu seien. Dabei ist Jesus, unbestritten von der heutigen Theologie und Geschichtsschreibung, als angeblicher Aufrührer ganz klar von den Römern hingerichtet worden, auf ihre schreckliche Art und Weise, am Kreuz. Es war ein schmachvolles und langsames Sterben.

Das zeigt, auch das Weglassen kann manchmal fatale Auswirkungen haben: Der Film suggeriert durch seine Lücken antisemitische Elemente. Er verstärkt damit Antijudaismen, die ansatzweise bereits in den Evangelien zu finden sind zum Beispiel in Matthäus 27,25 und Johannes 8,44.

Antisemitische Elemente im Film sind, um es konkret zu machen, an den zwei folgenden Textbeispielen zu erkennen: Im ersten Beispiel warnt der Hohepriester (Michael Grimm) vor Jesus und betont seine Gefährlichkeit: „Er ist gefährlich! (…) Er bringt Feuer! Unordnung! Chaos! (…) Er kollaboriert mit den Besatzern! Er ist mit Huren und Zöllnern unterwegs. (…) Dieser Zimmermann lästert Gott!“ Und zu Judas sagt der Hohepriester: „Finde ein paar falsche Zeugen, und sie werden ihn nicht mehr lieben! Du sollst deinen Lohn bekommen.“

Im zweiten Beispiel macht sich der Hohepriester über Jesus lustig, wenn er höhnisch und voller Ironie anführt: „Anderen hat er geholfen. Und kann sich selber nicht helfen! Ist er der König Israels, so steige er nun vom Kreuz, so wollen wir ihm glauben. Er steigt nicht vom Kreuz. Warum hilft er sich nicht selbst?“ Sicherlich, das ist zum Teil nahe an den Zeilen der Evangelien – aber wird nicht durch diese Verkürzungen der Eindruck erweckt, als seien allein die Juden für den Tod Jesu verantwortlich? Ist das bei der Abnahme des Films niemandem aufgefallen?

So ist „Passion 20:21“ ein Beispiel dafür, wie man mit bestem Wissen und sicherlich besten Absichten viel falsch machen kann und in eine Ecke gerät, in die man bestimmt nicht wollte. Deshalb mein Vorschlag für geplante Theater-Inszenierungen im kommenden Jahr, wenn die Corona-Epidemie vielleicht ein wirkliches Theatererlebnis wieder möglich macht: Ein römischer Soldat erzählt aus seiner Perspektive, wie sie den Heiland getötet haben. Aus politischen Gründen. 

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