Dass die Verspätung eines Zuges zuweilen kumuliert, kann man verstehen. Denn verspätet wie er ist – seien es zehn, fünfzehn oder wer weiß wie viele Minuten –, stellt sich dem betroffenen Zug die Gleislage natürlich anders dar, weswegen die Verspätung möglicherweise aufwächst. Etwas bösgläubig wird der leidgeprüfte, doch im Herzen zutiefst bahnliebende Vielfahrer, wenn sich im Laufe aufwachsender Verspätungen die Begründung für dieselbigen ändert. Dabei ist es beruhigend, wenn die Bahn-App eine 15-Minuten-Verspätung aufgrund „behördliche(r) Maßnahme“ meldet und der aufmerksame Bahn-App-Watcher (kurz BAW) gewahr wird, dass dieselbe bereits in den Tiefen Sachsens erfolgte und abgeschlossen scheint, da nach einem längeren Aufenthalt in – sagen wir – Riesa die Halte Leipzig und Leipzig-Flughafen laut App pünktlich erreicht wurden
Plötzlich aber wird dem in Halles Sonne wartenden BAW aber kundgetan, besagter Zug verspäte sich auf einmal um 46 Minuten, und die Begründung lautet nun „Technischer Schaden am Zug“ (TSchaZ). Das ist eine schlimme Botschaft, denn diese sogenannten TSchaZ-Verspätungen sind berüchtigt für ihr weiteres Aufwuchspotenzial, weswegen die Wissenschaft in solchen Fällen auch von der nach oben offenen „TSchaZi-Skala“ spricht. Was ich hingegen letztens erlebte, war echt erstaunlich: Wir standen friedlich mit Fahrrad in Hannover am Gleis 14 und erwarteten den unter uns liebevoll „Enkelexpress“ genannten Regionalzug nach Lehrte, als aus dem Lautsprecher dreimal hintereinander diese freundliche Ansage erklang: „An Gleis 14 steht ENO83509 nach Wolfsburg.“ Allseitiges verlegenes Kichern am Gleis, denn dort stand einfach … nichts. Als der Zug dann wenige Minuten später kam, stand und wir einstiegen, konnte ich mich der Ahnung nicht erwehren, dass man uns bei der Bahn nicht nur andauernd teert, sondern zuweilen aus Jux und Dollerei auch noch federt.
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.