Lagerfeuer in Krakau

Lutherischer Weltbund beschwört Einigkeit in Krisenzeiten
Foto: Rolf Zöllner

Moderne Leitungsgremien präsentieren sich heutzutage gerne als bunte Truppe mit Menschen verschiedenster Geschlechter, ethnischer Hinter­gründe und Hautfarben. Denn Diversität sorgt nicht nur für eine erfolgreichere Führung. Wo weiße Haut dominiert, kommt schnell der Verdacht auf, dass alte Privilegien konserviert und gesellschaftliche Ver­änderungen ausgeblendet werden sollen. Das kann man dem Lutherischen Weltbund keinesfalls vorwerfen, trotz einer Minderheit unter den Mitgliedern, die Homosexualität noch immer für Sünde halten oder die Frauen­ordination ablehnen. Aber ein fairer Umgang zwischen dem globalen Norden und Süden, Einsatz für Gendergerechtig­keit und Einheit in Verschiedenheit prägen schon lange die Arbeit des Bundes, der jetzt zur Vollversammlung nach Krakau geladen hatte.

Umso überraschender war auf den ersten Blick, dass nun neben der amtierenden Generalsekretärin Anne Burghardt aus Estland mit dem dänischen Bischof Henrik Stubkjaer ein weiterer weißer Europäer als Präsident an die Spitze des Weltbundes gewählt wurde. Die Kommunikationsabteilung leitet ein Isländer, den wichtigen Weltdienst eine Finnin. Trotz aller Bedeutung, die der Norden der Welt (insbesondere Skandinavien) für das Luthertum hat, wirkt das wenig ausbalanciert. In der Presse­konferenz nach seiner Wahl, räumte der neue Präsident ein, dass an der Balance gearbeitet werden müsse. Aber es gehe „auch um Kompetenz“.

War das eine Kritik an den beiden Vorgängern im Amt, die beide aus dem globalen Süden stammen? Zumindest ein Hinterfragen der Besetzung nach Quoten. Offenbar haben die Mitgliedskirchen aus dem Süden damit auch keine Probleme. Zumindest nominierten sie keinen Gegenkandidaten zu Stubkjaer aus ihren Reihen, was bis kurz vor der Wahl noch möglich gewesen wäre. Auch das Wahlergebnis war mit 274 von 318 gültigen Stimmen alles andere als knapp. Offenbar vertrauen die Delegierten der Kompetenz Stubkjaers, der im LWB kein Neuling ist. Sie kannten ihn schon vor der Wahl als Ratsmitglied und Leiter des Weltdienst-Komitees, das für die wichtigen weltweiten humanitären Hilfseinsätze zuständig ist. Ein Themenfeld, das Stubkjaer schon lange am Herzen liegt. Vor seiner Wahl zum Bischof von Viborg war er Generalsekretär des Hilfswerks der Dänischen Kirchen gewesen und in führender Position beim weltweiten kirchlichen Netzwerk ActAlliance. Das sind wichtige Kompetenzen in einer Zeit, in der der Klimawandel für immer mehr Konflikte und Flucht sorgt und nationalistisch und populistisch agierende Politiker für mehr Spaltung statt für Miteinander kämpfen.

Wie groß die Sehnsucht nach Einheit und einem gemeinsamen Geist ist, war auf dieser Vollversammlung deutlich zu spüren. Das in vielen inhaltlichen Impulsen zum Versammlungsmotto „One body, one spirit, one hope“ beschworene Bild der weltweiten Familie diente nicht nur Selbstvergewisserung am Lagerfeuer. Es war auch ein Aufruf zur Solidarität in einer krisen­geschüttelten Welt, in der sich Christen und Christinnen nicht hinter die Kirchentüren zurückziehen dürfen. 

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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