"Warum tanzen die Zauberer auf dem Bild?", fragt meine kleine Tochter, als Herbert Pachmanns Buch Pfarrer sein zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch liegt. Drei Figuren in hektischer Bewegungsunschärfe, mit verschiedenen schwarzen Gewändern, mal mit Krause, mal mit Stola, jeder für sich, jeder in einer anderen Richtung - das Titelbild des Buches sagt schon viel von Selbst- und Fremdwahrnehmung des evangelischen Pfarrers in heutiger Zeit.
Der Schweizer Theologe Herbert Pachmann hat sich in diesem Buch das schwierige Thema von Identität und Rolle des Pfarrers in heutiger Zeit vorgenommen. Das gut lesbare Buch möchte die Erfahrungen des Autors aus dreißig Jahren Gemeindepfarramt in Beziehung setzen zu den Themen der aktuellen pastoraltheologischen Diskussion. Dazu umkreist Pachmann in zehn Kapiteln das Phänomen "Pfarrer" und nähert sich immer wieder neu aus verschiedenen Richtungen den Herausforderungen dieses Berufes: von der Rolle her, von der eigenen Person her, von der Gemeinde her, von der Gottesnähe her oder auch von den Herausforderungen des modernen Managements her.
Es geht Pachmann dabei nicht um eine stringente pastoraltheologische Systematik, sondern um praxisnahe Reflexionen, die angehenden und gestandenen Pfarrerinnen und Pfarrern aus verschiedenen Perspektiven helfen, ihre Berufsidentität zu klären und stimmige Handlungsoptionen zu finden.
Pachmann selbst ist gerne Pfarrer; das nimmt man ihm ab. Und er gibt damit dem Buch - bei all den komplexen Problemstellungen des Berufes - einen positiven und motivierenden Grundton. Sein Blick auf die Spannungen des Pfarrberufs sind klar und einleuchtend, seine Analysen überzeugend und die Kenntnis der jeweiligen wissenschaftlichen Diskussion beeindruckend. So beschreibt er die Rollendiffusion in Aufgriff eines Textes von Manfred Josuttis kurz und prägnant: Der Pfarrer sei ein merkwürdiges Zwitterwesen, von der Amtstracht her Gelehrter, vom eigenen theologischen Anspruch her am liebsten Prophet, faktisch aber vor allem kirchlicher Verwaltungsbeamter und gemeindlicher Freizeitanimateur.
Immer wieder gelingt es Pachmann, in dieser Art Spannungen klar aufzuzeigen und betroffenen Leserinnen und Lesern in gutem Sinne einen Spiegel vorzuhalten.
Sind die verschiedenen Signaturen des modernen Pfarrberufs gefunden, referiert Pachmann mit ausführlichen Zitaten die einschlägige Diskussion dazu. Hier kommen die provokant klaren Analysen von Fulbert Steffensky zu Wort, der nüchtern soziologisch fundierte Ansatz von Isolde Karle, die spirituelle Pastoraltheologie von Manfred Josuttis, aber auch steile Ansätze wie das Amtsverständnis von Paul Bernhard Rothen. Gelegentlich hat die Fülle der Zitate den Charakter eines Exzerptes, und man würde sich noch mehr persönliche Erfahrung wünschen, aber durch die klare Gliederung des Buches verliert man zumindest die Orientierung nicht.
Pachmann selbst ist sehr an einer klaren und selbstbewussten Glaubenspraxis gelegen. Er hat beruflich viel zur Bedeutung von persönlicher Spiritualität für das geistliche Amt gearbeitet und schöpft daraus in diesem Buch. Es geht ihm um den professionellen Anspruch an die "Inszenierung der Liturgie", um das eigene Einüben von Meditation und Gebet, um die wertschätzende und sensible Nutzung von Symbol und Ritual und - vor allem - um den kenntnisreichen und kreativen Umgang mit der Bibel als "Kult-Buch". Pachmann hat in der reformierten Schweiz seine Aufgabe gefunden, kennt aber auch die Situation in deutschen Kirchen gut. Erfrischend ist dabei die ökumenische Unbefangenheit, wenn er etwa zum Thema Gottesdienst und Öffentlichkeit schreibt, dass den Protestanten die Herablassung gegenüber katholischer Volksfrömmigkeit gründlich vergangen sein müsste.
Frauen werden dieses Buch anders lesen als Männer. Die weibliche Signatur des Pfarramts, das schreibt Pachmann im Vorwort, könne er als Mann nicht untersuchen. Dies wird besonders im Kapitel über das Pfarrhaus deutlich, wo es viel um die Pfarrfrau, aber nur angedeutet um die Pfarrerin geht. Im Gemeindekapitel macht Pachmann die Männerperspektive zu einem eigenen Thema, was gut und anregend ist. Die These von der "Feminisierung der Kirche" wird dabei aber sicher Widerspruch hervorrufen. Ein kluges, kenntnisreiches, gelegentlich auch streitbares Buch, das den Geschwistern im Amte herzlich empfohlen sei.
Herbert Pachmann: Pfarrer sein. Ein Beruf und eine Berufung im Wandel. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, 270 Seiten, Euro 19, 95.
Thomas Prieto Peral
Thomas Prieto Peral
Thomas Prieto Peral ist Kirchenrat und Referent für theologische Planungsfragen im Bischofsbüro der Evang.-Luth. Kirche in Bayern.