Gemüse für eine bessere Welt

Ein Besuch im World Vegetable Center in Tansania
Eine besonders ertragreiche Amaranth- Sorte gehört auch zu den Züchtungen des Zentrums. Foto: Stephan Kosch
Eine besonders ertragreiche Amaranth- Sorte gehört auch zu den Züchtungen des Zentrums. Foto: Stephan Kosch
Können Tomaten die Welt retten? Wahrscheinlich nicht, aber bessere Tomaten können die Welt ein wenig besser machen. Davon weiß Agrar-Marketing-Experte Andreas Gramzow ebenso zu berichten wie von den Tücken der konkreten Entwicklungszusammenarbeit. Stephan Kosch hat ihn im World Vegetable Center in Arusha getroffen.

Andreas Gramzow steht an diesem Nachmittag in den weitläufigen Gemüsebeeten im Norden Tansanias. Dort blühen Amaranth-Pflanzen in Pink, wachsen die auberginenartigen weißlichen Afrikanischen Eierpflanzen oder der kleine schwarze Früchte tragende Afrikanische Nachtschatten, dessen Blätter in Tansania als Gemüse beliebt sind. Auf etwa 15 Hektar hat das World Vegetable Center hier rund 2000 Gemüsesorten gezüchtet. Denn das Ziel der 1971 in Taiwan gegründeten Non-Profit-Organisation ist es, den Hunger und die Mangelernährung weltweit durch neue und verbesserte Gemüsesorten zu bekämpfen. In der Zentrale in Taiwan, in fünf Regionalzentren und 18 weiteren kleineren Standorten in der Welt arbeiten insgesamt 400 Mitarbeiter, darunter 60 international erfahrene Agrarexperten, an neuen Sorten. Die werden dann entweder direkt an die Landwirte zur weiteren Vermehrung gegeben oder an Saatguthersteller, die die lokalen Märkte damit versorgen.

Die Samenbank der Organisation umfasst weltweit über 60000 Gemüsesorten, 2600 sind es allein in Tansania. Auf grüne Gentechnik wird dabei verzichtet, die neuen Sorten entstehen durch klassische Züchtungsarbeit also Kreuzungen und Auslese. Finanziert wird das 20-Millionen-Dollar-Budgt der Organisation vor allem durch Entwicklungshilfe aus verschiedenen Staaten, darunter Taiwan, den usa, Australien und auch Deutschland, das eine Million Euro pro Jahr gibt und unter anderem Gramzows Gehalt bezahlt. Er stammt aus Lutherstadt Wittenberg, hat in Halle (Saale) studiert und vor seinem Einsatz in Tansania in Kasachstan und Indien gearbeitet.

Jetzt steht der Agrar-Marketing-Experte bei „Tanya“ der kleinen eierförmigen Tomatensorte, die die Welt tatsächlich ein wenig besser gemacht hat – zumindest hier in Ostafrika. Das Ziel war, Tomaten zu züchten, die widerstandsfähiger gegen Hitze und Krankheiten sind und auch Transporte besser überstehen, sagt Gramzow. Die Züchter gingen ans Werk, und 1997 präsentierten sie zwei Sorten, „Tanya“ und „Tengeru ’97“. Die dickere Haut der neuen Tomaten sorgte unter anderem dafür, dass sie bis zu drei Wochen bei Raumtemperatur gelagert werden konnten. Das Saatgutunternehmen Alpha Seeds in Moshi, rund 100 Kilometer von Arusha entfernt, brachte die Sorte auf den Markt und die Landwirte griffen zu. Denn schließlich sorgten „Tanya“ und „Tengeru ’97“ für ein Drittel mehr Ertrag als herkömmliche Sorten, die Produktionskosten sanken und das Einkommen der Landwirte stieg um 39 Prozent.

Mehr Ertrag

Die Kosten für Forschung und Entwicklung lagen bei zehn Millionen US-Dollar, sagt Gramzow. Einer Studie des Zentrums zufolge stehen dem gesamtwirtschaftliche Einnahmen in der Region in Höhe von 255 Millionen US-Dollar bis 2017 gegenüber. Jeder in die neuen Tomatensorten investierte US-Dollar brachte danach also einen volkswirtschaftlichen Ertrag von 12,50 US-Dollar. In einem Land wie Tansania, das bei allem wirtschaftlichen Fortschritt der vergangenen Jahre noch immer zu den ärmsten der Welt zählt, ist das nicht wenig.

Im Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen liegt Tansania auf Rang 151 von 188 Ländern. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 920 US-Dollar pro Jahr, fast siebzig Prozent der Bevölkerung leben und arbeiten im ländlichen Raum, fast jede Familie beackert einen eigenen Garten, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen.

Tomaten wie „Tanya“ können also die Welt ein wenig besser machen, wenn bei der Züchtung die Bedürfnisse der Menschen in der Region beachtet werden und das Saatgut nicht zum teuren Edelprodukt multinationaler Konzerne wird. Aber die Geschichte geht noch weiter und zeigt, dass eine neue Pflanze alleine nicht reicht, wenn die Marktstrukturen noch nicht stimmen und der Kunde am Ende das neue Produkt nicht annimmt. So gibt es Probleme bei einer neuen Tomatensorte, die im World Vegetable Center gezüchtet wurde. Sie ist besonders resistent gegen Tomatenfäule, die ein großes Problem für Gemüsebauern in Tansania darstellt.

Die Bauern lieben die neue Sorte, sagt Gramzow. Doch die Händler haben Schwierigkeiten, sie an die Kunden zu bringen. Denn auf dem Markt in Tansania werden die Tomaten in Eimern verkauft. Und weil die neuen Tomaten grösser sind als Tanya und nicht eiförmig, bekommt man weniger Tomaten für sein Geld in den Eimer. Die Kunden sind das nicht gewohnt und reagieren skeptisch.

Es geht also auch darum, Kunden zu informieren, Marketingstrukturen aufzubauen und auch die Transportketten nach der Ernte zu verbessern. „Wenn Afrika das Nach-Ernte-Problem lösen könnte, könnte es sich selbst ernähren“, meint Thomas Dubois, Regionaldirektor des Weltgemüsezentrums für Ost- und Süd-Afrika. So wurden in dem Zentrum Solartrockner entwickelt, mit denen länger haltbare Trockenfrüchte hergestellt werden können. Für den Transport zum Beispiel in die Küstenmetropole Dar es Salaam mit gut fünf Millionen Einwohnern wurden Kunststoffkisten in Umlauf gebracht, weil diese das Gemüse besser schützen als die üblicherweise verwendeten Holzkisten. Denn die Holzkisten sind in der Regel sehr grob und zermatschen die Tomaten während des Transports. Plastikkisten sind zudem flacher, so dass nicht so viele Tomaten übereinanderliegen. Doch auch hier stießen die Experten auf ein Problem: Die Kisten könnten nicht wie die Holzkisten einfach entsorgt und verbrannt werden, sondern mussten wieder über viele hundert Kilometer zurücktransportiert werden.

Es gibt also noch viele Herausforderungen, die die Mitarbeiter des Zentrums gemeinsam mit den lokalen Universitäten und Unternehmen lösen müssen. Doch der eingeschlagene Weg ist richtig, meint Gramzow. Denn auch in Afrika wachsen die Städte, Dar es Salaam etwa gehört zu den zehn am stärksten wachsenden Städten in der Welt. Die Metropolen müssen in Zukunft also mit noch viel mehr frischem Gemüse versorgt werden. Ein großes Arbeitsfeld, nicht nur für Landwirte, sondern auch für Absolventen von Wirtschaftsstudiengängen an den Universitäten, von denen es in Tansania immer mehr gibt. Jobs für Hochqualifizierte sind bislang aber rar. Aber vielleicht ändert „Tanya“ und all das, was mit ihr zusammenhängt, auch das in naher Zukunft.

Stephan Kosch

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