Experimente

Bonhoeffer global?

Seit dem Jahr 1971 werden alle vier Jahre internationale Kongresse zur Erforschung und zur aktuellen Bedeutung der Theologie und der Lebensgeschichte Dietrich Bonhoeffers durchgeführt. Der 14. derartige Kongress fand im Januar 2024 in Sydney (Australien) statt. Der 13. Kongress trat im Januar 2020, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, im süd-afrikanischen Stellenbosch zusammen. Zum 12. Kongress versammelte man sich 2016 in Basel. Es gibt Grund zu der Hoffnung, dass diese Tradition – die durch wachsende Internationalität geprägt ist – auch in Zukunft weitergeführt wird.

Je auf ihre Weise verbinden diese Zusammenkünfte Grundfragen zur Theologie und Lebensgeschichte Dietrich Bonhoeffers mit aktuellen Themen. Der von Christoph Ramstein, dem Geschäftsführer der Stadtmission Basel, Christiane Tietz, der langjährigen Vorsitzenden der deutschsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft und Zürcher Theologieprofessorin, und Philip G. Ziegler, Theologieprofessor in Aberdeen, herausgegebene Band stellt sich dieser doppelten Zielrichtung. Der Basler Kongress benutzte die Kooperation der Internationalen Dietrich-Bonhoeffer-Gesellschaft mit Mission 21, dem Evangelischen Missionswerk Basel, um sich der beeindruckenden Internationalität Bonhoeffers zu erinnern und sie als Ansporn für eine heutige globale Theologie zu betrachten. Doch ebenso, wie die Bezeichnung Bonhoeffers als eines „globalen Theologen“ ein Element der Übertreibung in sich trägt, würde man auch die heutige Theologie überschätzen, wenn man ihr pauschal einen globalen Charakter zuerkennen würde. Dass globale Theologie Pluralität einschließt, wird in diesem Band unter anderem dadurch dokumentiert, dass sowohl englische als auch deutsche Texte aufgenommen wurden.

Neben der Idee, Bonhoeffer als einen „globalen“ Theologen darzustellen, haben die Herausgebenden die Texte unter den drei Rubriken des christlichen Glaubens, des christlichen Zeugnisses und des christlichen Dienstes präsentiert. Dass diese Gliederung nicht ganz aufgeht, kann man daran erkennen, dass theoretisch besonders anspruchsvolle Texte ausgerechnet in der Abteilung „Christlicher Dienst“ auftauchen. Dort findet man beispielsweise einen Text von Jason Lam darüber, wie man Dietrich Bonhoeffer und den umstrittenen Staatsrechtler Carl Schmitt im chinesischen Kontext miteinander verknüpfen kann. Unter der Überschrift „Zynische Wahrheit“ findet man daneben eine Überlegung von Karsten Lehmkühler darüber, wie man Bonhoeffers und Foucaults Verständnis der Wahrhaftigkeit zueinander in Beziehung setzen kann. Sein Beispiel zeigt, wie fruchtbar es sein kann, Autoren verschiedener Hintergründe und Professionen zueinander ins Verhältnis zu setzen.

Es ist hier nicht möglich, die 25 Beiträge dieses Bandes im Einzelnen zu würdigen. Leserinnen und Leser werden sich an unterschiedlichen Stellen festlesen und dabei auf vielfache Anregungen stoßen. Zu bedauern ist allerdings, dass die Autorinnen und Autoren nicht durch ihre Herkunft und ihre Profession vorgestellt werden. Keineswegs für alle findet man die Auskünfte im Netz.

Im Fall von Rowan Williams werden viele erkennen, dass es sich um den ehemaligen Erzbischof von Canterbury handelt. 2013 trat er von diesem Amt zurück und übernahm erneut eine akademische Position in Cambridge; zugleich gehört er zum House of Lords. Williams würdigt die Ethik Bonhoeffers mit einem unbefangenen Blick. Dabei unterstreicht er die enge Verbindung zwischen Bonhoeffers Ethik und den theologischen Gefängnisbriefen. Durch solche elementaren Klärungen zeichnet sich dieser Tagungsband genauso aus wie durch die Bereitschaft zu überraschenden Experimenten.

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Foto: epd

Wolfgang Huber

Dr. Dr. Wolfgang Huber ist ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender, Bischof i. R. und Herausgeber von "Zeitzeichen." Er lebt in Berlin.


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