Hybris und Hoffnung

Wer angesichts des Klimawandels zu Optimismus aufruft, verbreitet nicht die christliche Hoffnungsbotschaft
Foto: privat

„Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Wenn mich jemand nach dem dümmsten Spruch aller Zeiten fragen würde, wäre das ein ganz heißer Kandidat. Es gibt kaum etwas Empathieloseres, als Menschen in Notlagen zu sagen: „Wird schon wieder. Sieh nicht immer alles so negativ. Glaub ans Lichtlein.“

Genau diese Attitüde ist es, mit der viele heute auf die Klimabewegung schauen. So wie die beiden älteren Herren, deren Podcast über die Klimabewegung ich neulich hörte. Sie sprachen durchaus mit Sympathie für das Engagement dieser jungen Leute – aber dass die immer so pessimistisch sein müssen! Vor allem über eines regten sie sich auf: Eine Klimaaktivistin hatte in einer Talkshow gesagt, dass sie keine Kinder bekommen will, weil sie auf einer klimakatastrophierten Erde dafür keine Zukunft sieht. „Ist das nicht entsetzlich?“, fragten die Herren kopfschüttelnd. „Entsetzlich“ fanden sie diese fehlende Hoffnung, nicht die Klimakatastrophe.

Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus stieß kürzlich in einem Interview in ein ähnliches Horn. Eine Selbstbezeichnung wie „Letzte Generation“, schulmeisterte sie an die Adresse der Aktivist*innen, klinge „apokalyptisch” und widerspreche „jeder Hoffnungstheologie“. Es sei „eine Form von Hybris, von sich zu behaupten, man gehöre zu den Letzten, die noch etwas tun können.“

Aha. Soweit ich weiß, ist es weitgehender wissenschaftlicher Konsens, dass diese Generation die letzte ist, die noch was tun kann. Denn wenn wir jetzt nicht sofort handeln, werden Kipppunkte überschritten, die unumkehrbar zu katastrophalen Entwicklungen auf der Erde führen. Aber, ja, klar: Immer, wenn wir denken, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Das haben die protestierenden Leute wohl kurz mal vergessen.

Hoffnungsvolle Wirtschaftsliberale

„Wir halten in der Gesellschaft die Hoffnung wach“, antwortete Kurschus auf die Frage nach der Aufgabe der Kirche. Ja, für sich genommen eine Aussage, der man kaum widersprechen kann. In diesem Kontext flankiert sie aber schlicht das Mindset der FDP. Denn es sind vor allem die hoffnungsvollen Wirtschaftsliberalen, die in Talkshows und auf Partygesprächen erklären, dass alles doch nicht so wild ist und die Menschen bestimmt bald irgendeine neue Energiequelle entdecken oder erfinden, die wundersamerweise all unsere Problemen löst. Wozu haben wir die Kinder schließlich aufs Gymnasium geschickt?

Konsequent zu Ende gedacht (laut sagen würde das natürlich niemand) werden diese Hoffnungsbotschaften von dem Wissen grundiert, dass wir hier in Europa, wenn wir es schlau anstellen, wohl noch eine Weile halbwegs glimpflich davonkommen. Zuerst mal leiden andere. In Afrika und Südostasien etwa, wo Menschen jetzt schon wegen des Klimawandels sterben. Zu Zigtausenden. Aber ja, Hoffnung!

Nüchtern betrachtet ist die Klimadebatte in Europa einfach von sehr viel Zynismus durchzogen. Die Theologie sollte sich da nicht vor den Karren spannen lassen, sondern klarstellen: Wer angesichts des Klimawandels zu Optimismus aufruft, verbreitet nicht etwa die christliche Hoffnungsbotschaft, sondern menschliche Hybris und Fortschrittsgläubigkeit.

Die christliche Hoffnung bezieht sich nicht auf innerweltlichen Optimismus, auf „positives Denken“, sondern auf ein „Danach“, auf ein „Trotzdem“. Paulus siedelt es in der berühmten Passage aus 1. Korinther 13 zu einer Zeit an, „wenn aber kommen wird das Vollkommene“. Es geht nicht um die Hoffnung, dass das Ende vielleicht gar nicht so unausweichlich ist, wie es aus heutiger Sicht scheint. Sondern um die Hoffnung, dass auch dann noch etwas weitergeht, wenn bereits alles zu Ende ist.

Konkret: Auch wenn wir alle Klimaziele reißen, auch wenn große Teile der Erde unbewohnbar geworden sind, wenn wir Flüchtlingsbewegungen in unvorstellbarem Ausmaß erleben, wenn grausame Kriege um Ressourcen toben, wenn Milliarden Menschen gestorben sind, wenn unsere Zivilisation und der Rechtsstaat zusammenbrechen, wenn die Menschen hungern und keine medizinische Versorgung mehr haben – auch dann, auch angesichts des unsäglichsten Leids und Elends und auch auf einer total verwüsteten Erde gäbe es nach christlicher Überzeugung noch Grund zur Hoffnung.

Wie Paulus schon warnte: den Heiden eine Torheit. Ich wünsche viel Spaß dabei, christliche Hoffnungstheologie zu predigen. Und starke Nerven.

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