Vor 200 Jahren, am 25. Juni 1822, starb in Berlin der Dichter E. T. A. Hoffmann. Sein treuester Freund und erster Biograf war der vom Judentum zum Christentum übergetretene Eduard Hitzig. Er hat Hoffmanns Bild bis in die Gegenwart geprägt. Zu Recht trägt das vorliegende Buch den Untertitel „Roman über die Freundschaft“. Freundschaft ist, und das macht Norbert Kron eindrücklich sichtbar, nicht etwas nur für die Sonnenseite des Lebens. Ähnlich wie die Liebe hat sie nicht nur Höhen und Tiefen, sondern muss bereit sein, Opfer zu bringen. Sie darf nicht nachtragend und fordernd sein; sie muss auch Abweisungen ertragen.
Wie ein Liebender um Liebe wirbt Hitzig um Hoffmanns Freundschaft. Er bleibt beharrlich, ohne aufdringlich zu sein. Er erkennt in Hoffmann den großen Dichter, der er selbst gern geworden wäre. Durch Hoffmanns Beispiel erkennt er unwiderlegbar, dass er allenfalls schlichte Texte verfassen kann, es aber niemals zum Dichter bringen wird. Wie Hoffmann ist er im Brotberuf Jurist. Zeitweilig wird er Verleger und veröffentlicht Hoffmanns Bücher.
Wenn es von Hitzig heißt, er habe Hoffmann erfunden, so bezieht sich das nicht nur darauf, dass er mit seiner Biografie ein Bild des Dichters entworfen hat. Er hat darüber hinaus früher als Hoffmann selbst erkannt, dass dessen überragende Begabung die Literatur und nicht die Musik ist, wie es Hoffmann jahrzehntelang geglaubt hatte. So skurril und aussagekräftig seine Zeichnungen sind, soviel Freude er selbst daran hatte – dass dies nur eine Nebenbegabung war, wusste Hoffmann stets. Aber Opern- und Konzertpläne hat er bis zum Tod verfolgt. Hitzig hat ihn gedrängt, sich nicht zu verzetteln, sondern sich auf sein literarisches Werk zu konzentrieren.
Hitzig hat Hoffmann hoch geachtet, hat ihn gefördert und unterstützt, auch finanziell, aber er hat ihn nicht kritiklos gesehen. Seine überreizte Eitelkeit hat zu einer zeitweiligen Entfremdung geführt. Hoffmanns ewiger Drang, im Mittelpunkt zu stehen, sein stetes Um-Sich-Kreisen hat Hitzig nicht nur gestört, sondern auch verletzt. Während sich Hoffmann mit dem Schauspieler Ludwig Devrient zu Trinkgelagen am Berliner Gendarmenmarkt traf, fand er für Hitzig keine Zeit. Dabei wusste er durchaus, was er an ihm hatte. Und als es ans Sterben ging, rief er nach Hitzig.
Die Geschichte dieser 1804 in Warschau begonnenen und über Hoffmanns Tod hinausreichenden Freundschaft ist der Stoff des Buches. Die Leserschaft erfährt viel über die romantische Literaturszene vornehmlich in Berlin, über Hoffmanns Leben, sein Werk und über die gesellschaftliche Situation. Dazu gehören auch der latente und der sichtbare Antisemitismus. Hitzig, als Itzig geboren, hatte „sein Glaubensbekenntnis aufgegeben, sich von Theilen seiner Familie“ abgewendet.
Er hatte „dem christlichen Geist gehuldigt, um auch in der Poesie ein vollgültiges Mitglied des romantischen Deutschlands zu sein“. Er hatte seinen Namen geändert, litt aber weiter unter dem Antisemitismus der Dichter Clemens Brentano und Achim von Arnim, der Brüder Grimm. Er nahm den zunehmenden Hass auf Juden unter Burschenschaften und Turnerbünden wahr.
Dazu passend enthält das Buch Illustrationen von zum Teil jüdischen und israelischen Künstlern.
Auf eine Besonderheit dieses anregenden und unterhaltsamen Romans sei noch hingewiesen. Der Autor schreibt eine durchaus moderne Sprache, bedient sich dabei aber gelegentlich älterer Stilmittel und Schreibweisen. Diese Eigenwilligkeit erhöht den Lesegenuss und bringt den Lesenden ganz unaufgeregt die Atmosphäre näher, in der Hitzig und Hoffmann ihre Freundschaft lebten.
Jürgen Israel
Jürgen Israel ist Publizist und beratender Mitarbeiter der "zeitzeichen"-Redaktion. Er lebt in Neuenhagen bei Berlin.