Eher enttäuschend

Aufsätze eines brillanten Kirchenhistorikers

Wer das Glück hatte, am 25. Mai 2016 die Rede von Hubert Wolf beim Festakt zur Eröffnung des 100. Deutschen Katholikentages in der Leipziger Oper live zu erleben, wird sie schwerlich vergessen. Der große katholische Kirchenhistoriker aus Münster blätterte mit leichter Hand, ungemein gelehrt und pointenreich, die rund 170-jährige Geschichte der Katholikentage vor dem Festpublikum auf, fesselnd, kurzweilig und geistreich. Und er endete mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für das Engagement und das Ernstnehmen der Laien in der katholischen Kirche und in der Gesellschaft. Es war hinreißend und beflügelte den ganzen Katholikentag.

Nun sind solche besonderen Augenblicke nicht wiederholbar – aber es ist schön, wenn man manche denkwürdigen Vorträge von klugen Leuten noch mal nachlesen kann. Das ist nun möglich in Hubert Wolfs neuestem Werk Verdammtes Licht. Der Katholizismus und die Aufklärung, das im renommierten Verlag C. H. Beck erschienen ist und sehr sorgfältig, einschließlich Anhang und Personenregister, editiert wurde.

Hier aber beginnen die Zweifel an diesem Buch. Denn es vereint zehn Aufsätze, die zwar für sich genommen – wie die Festrede Wolfs zum 100. Katholikentag – interessant und anregend sind. Aber es fehlt zwischen ihnen der deutliche rote Faden … ganz abgesehen davon, dass diese Aufsätze alle schon Jahre alt sind (einer schon 15 Jahre!) und alle schon einmal publiziert wurden, ja, ein Vortrag wurde sogar schon zweimal veröffentlicht. Es ist eben nicht der große Wurf Hubert Wolfs zur Geschichte des Jahrhunderte langen Kampfes oder der Inspiration der katholischen Kirche mit und durch die Aufklärung, wie der eigentlich sehr gelungene Titel des Werks suggeriert, sondern eben eine Aufsatz- und Vortragssammlung, deren Teile nur lose zusammenhängen.

Man muss also von einer Produktenttäuschung sprechen, wobei man in den Klappentexten des Buches schon sehr genau zwischen den Zeilen lesen muss, um zu entschlüsseln, dass es sich hier nur um eine Aufsatzsammlung handelt, die kaum verbindet, was nur lose miteinander verknüpft ist. Das Ganze ist umso bedauerlicher, weil man ja weiß, wie mitreißend und analytisch scharf Wolf die großen Linien der (katholischen) Kirchengeschichte entfalten kann – die beiden langen Interviews mit ihm in zwei Ausgaben von zeitzeichen in diesem Jahr legen davon ein eindrückliches Zeugnis ab.

Um nicht missverstanden zu werden: Die einzelnen Aufsätze sind schon lesenswert, sie sind alle gut gealtert und zeugen von der Meisterschaft Wolfs, Kirchengeschichte überaus spannend und mit erhellenden Bezügen zu heutigen Diskussionen zu schildern. Faszinierend sind beispielsweise die beiden Porträts der bedeutenden, aber nicht mehr ganz so bekannten Zentrums-Politiker Ludwig Windthorst (1812 – 1891) und Matthias Erzberger (1875 – 1921), redliche, aber auch tragische Gestalten, an die zu erinnern aller Ehren wert ist. Auch der Aufsatz über den in Deutschland wirkenden Nuntius Eugenio Pacelli, den späteren Papst Pius XII., „als politscher Kleriker“ überzeugt. Wolfs Text über die Auseinandersetzung des Vatikans mit dem Problem des Rassismus und Nationalsozialismus lohnt ebenfalls die Lektüre des Buches, wenn man denn diese Studien nicht schon andernorts gelesen hat.

Dennoch seien an dieser Stelle eher die großen anderen Würfe Wolfs empfohlen, vor allem das völlig zurecht hoch gelobte Die Nonnen von Sant’ Ambrogio aus dem Jahr 2013. Dieses Meisterwerk der Kirchengeschichtsschreibung lohnt jeden Cent und jede Sekunde, die man ihm opfert. So bleibt Wolf stets ein Held dessen, was er im letzten Satz des Buches fordert: „Ganz im Sinne Kants – Aufklärung ist der Ausgang des Katholiken und der Katholikin aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit!“

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