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7 . Sonntag nach Trinitatis, 14. Juli

Und die Israeliten sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst. (2. Mose 16,2–3)

Es ist eine alte neue Geschichte: Sie spielt vor Jahrtausenden in der Wüste und ist zugleich von unheimlicher Aktualität. Nach dem großen Aufbruch aus der Gefangenschaft kommen die Mühen der Ebene. Und die Ebene ist leider auch noch eine Wüste. Deswegen muss man erst einmal Wasser suchen. Und als der Durst gestillt ist, knurrt schon der Magen. Zuständig für alle Bedürfnisbefriedigung scheinen die Anführer der ganzen Unternehmung zu sein. Das Volk murrt wider sie. Es sehnt sich zurück nach den Fleischtöpfen Ägyptens.

Wer kennt das nicht? Auf die Euphorie des Aufbruchs – oder sogar des Ausbruchs – folgen mühselige Zeiten. Das Aufbrechen aus einer Gefangenschaft ist eine Sache, aber die Freiheit auszuhalten, eine andere.

Das große Murren des Volkes ist nicht mehr zu überhören. Spätestens bei der Wahl zum EU-Parlament ist deutlich geworden, dass nach den Krisenerfahrungen der vergangenen Jahre viel Vertrauen in die politisch Verantwortlichen verloren gegangen ist. Daher zurück zu den Fleischtöpfen, in die Zeit, in der angeblich immer alles besser war. Die Welt mag begrenzt gewesen sein, aber dafür war sie so schön übersichtlich. Die Freiheit hat eben sehr unbequeme Seiten. Und die Verantwortung immer auf „die da oben“ abschieben zu wollen, ist eine große Versuchung.

Ich lebte viele Jahre im Osten Deutschlands. Und ich bewundere den lauten und leisen Widerstand gegen das Leben in einem autoritären Staat, den es dort besonders unter Christinnen und Christen gab. Aber ich kenne auch die vielen, die sich in der DDR eingerichtet hatten und die nach der Wiedervereinigung viele Sicherheiten und Selbstverständlichkeiten verloren. Wie anstrengend die Freiheit ist, wie viel eigene Initiative und Verantwortung sie abverlangt, wird erst dann spürbar, wenn der Aufbruch hinter einem liegt. Aber murren und trotzig Parteien wählen, die die Freiheit wieder abschaffen wollen, ist keine Alternative.

Mose und Aaron, die armen Anführer des Volkes Israel, gehen nicht ins Gespräch mit dem murrenden Volk. Das ist ohnehin vergeblich. Denn mit Argumenten kommt man nicht weiter, wenn es um Gefühle wie Unsicherheit und Angst geht, fehlendes Vertrauen und Zuversicht. Vielleicht haben die beiden diese auch schon verloren. Dazu drückt sie die Last ihrer Verantwortung. Und sie geben das zu. Denn sie haben verstanden: Es geht nicht gegen uns persönlich, es ist vielmehr die Situation, die uns alle überfordert. Deswegen suchen sie Hilfe bei Gott. Und sie machen die Erfahrung, gehört und versorgt zu werden. Auch wenn das Aufsammeln des Mannas an jedem Morgen mühsam ist, der Geschmack der Freiheit ist süß.

Prüfen und aufdecken

8. Sonntag nach Trinitatis, 21. Juli

Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts. (Epheser 5,8)

Wandelt als Kinder des Lichts!“ Was für eine euphorische Aufforderung! „Kinder des Lichts“ klingt für mich wahlweise nach der Selbstbezeichnung einer endzeitlich gestimmten Sekte oder dem Titel einer Netflix-Serie oder einer mehrteiligen Fantasy-Saga. Dann aber bitte mit Untertiteln für die einzelnen Bände: „Kinder des Lichts – Das Versprechen“. Es folgen Teil 2 „Die Prüfung“ und zum Abschluss der Trilogie „Die Offenbarung“.

Der hohe Ton des Epheserbriefs ist nur bedingt alltagstauglich. Genau wie das, was Jesus im Evangelium des Sonntags über die sagt, die ihm nachfolgen: Salz der Erde, Licht der Welt sollen sie sein. Auch dabei handelt es sich um anspruchsvolle Genitivkonstruktionen. Mit dem Alltag, in dem das Salz auf die Kartoffeln gehört und das Licht aus der Schreibtischlampe kommt, haben sie jedenfalls nicht sehr viel gemeinsam.

Und sollte man die Welt überhaupt so aufteilen, hier die Finsternis samt ihren Werken, dort das Licht mit seinen Früchten? Wie weit kommt man mit solch einer dualistischen Weltsicht in unübersichtlichtlichen Zeiten? Es könnte ja durchaus sein, dass sich die Beliebtheit von Sekten, Serien und Fantasy der Übersichtlichkeit verdankt, die sie vermittelten. Denn in einer unübersichtlich gewordenen Welt ist die Sehnsucht nach Orientierung groß. Und die Aufgabe, sich stets und ständig zu komplexen Themen eine Meinung bilden zu müssen, ist es auch. Die unzulässigen Arten der Vereinfachung der Welt sind hinlänglich bekannt: Nationalismus, Populismus und Verschwörungserzählungen gehören dazu.

Aber es gibt auch zulässige Arten der Vereinfachung der Welt: Prüfen und aufdecken, was Licht und was Finsternis ist, muss nicht in einem großen Endkampf enden.

An seinen Früchten ist das Licht zu erkennen: Wenn aus einem bestimmten Handeln heraus Güte erfahrbar wird, wenn es zu mehr Gerechtigkeit führt und der Wahrheit dient, dann ist es Licht. Die Gegenprobe lässt sich leicht anstellen: Unbarmherziges, ungerechtes und verlogenes Handeln ist eindeutig ein Werk der Finsternis, um nochmals den hohen Ton zu bemühen. Kräftig hineinleuchten in die vermeintlichen Uneindeutigkeiten der Welt, das ist der Auftrag der Kinder des Lichts.

Großer Einsatz

9. Sonntag nach Trinitatis, 28. Juli

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. (Matthäus 13,44)

Spontane Kaufentscheidungen haben es in sich. Zumal dann, wenn es um dauerhafte Werte geht. Aber Kosten-Nutzen-Abwägungen spielen dabei nicht immer die wichtigste Rolle. Wer überhaupt die Möglichkeit hat, immobiles Eigentum zu erwerben, sei es eine Wohnung, ein Haus oder einen Kleingarten, trifft diese weitreichende Entscheidung immer auch aus irrationalen Gründen. Nicht umsonst wird in der Werbung dafür vielfach das Wort „Traum“ verwendet. Oder es wird eine „einmalige Gelegenheit“ versprochen. Exposés und Anzeigen können einen ziemlich euphorisch machen. Manchmal reicht schon ein Blick auf die Immobilienangebote im Schaufenster eines Maklers. Und keiner fragt mehr, ob sich das rechnet, ob es sich lohnt, ob man beispielsweise das Geld für eine Ferienimmobilie nicht lieber für Reisen ausgeben sollte.

Das sind alles Luxusprobleme – könnte man meinen. Das stimmt, aber solche Fragen berühren uns eben dort, wo die Wünsche zuhause sind, Träume und Sehnsüchte. Ob dieser Mann, der alles verkauft, was er hat, um dies eine Stück Land mit dem Schatz darin zu erwerben, seine Entscheidung irgendwann einmal bereut hat, seine Spontanität verflucht und sich wünscht, etwas rationaler an die ganze Sache herangegangen zu sein?

In der Geschichte, die Jesus erzählt, ist nicht die Rede davon. Vielmehr geht es um die Unbedingtheit, die Euphorie, den großen Einsatz – lehrt diese Geschichte. Der zweite Mensch in dem Gleichnis ist sogar ein Kaufmann, also jemand, der gut rechnen kann. Beide haben – so hört es sich an – einen Lebensfund gemacht, etwas, das nur sehr selten passiert und das sich nicht nur auf ein Stück Land beziehen muss.

Ein Lebensfund kann auch etwas anderes sein: eine große Liebe, die Entscheidung für ein Kind, einen beruflichen Neustart oder einen Auslandsaufenthalt. Fasziniert hört man den Geschichten derer zu, die so etwas gewagt haben.

Unbedingtheit leben, geht aber, wenn man Jesu Geschichte glaubt, auch weniger spektakulär, einfach aus dem heraus, was man jeden Tag tut, im Herumackern auf dem Lebensfeld, im täglichen Handeln. Unbedingter Einsatz ist ein Kennzeichen des Reiches Gottes. Und es lohnt sich, danach zu suchen.

Weisung für alle

10. Sonntag nach Trinitatis (israelsonntag), 4. August

Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist. (Sacharja 8,23)

Angesichts der bedrückenden Situation in Israel und im Gazastreifen ist es schwer geworden, zu glauben, dass ausgerechnet von Jerusalem der Frieden ausgehen soll, den die vielen prophetischen Visionen der Hebräischen Bibel ausmalen. Dass ausgerechnet rund um Jerusalem, im Heiligen Land, einmal jeder friedlich unter seinem Weinstock und Feigenbaum sitzen wird und dass man dort verlernt, Krieg zu führen. Solche Hoffnungen erscheinen weiter entfernt denn je.

Neu ist auch, dass die politischen Entwicklungen in Israel und im Gazastreifen Auslöser für das Erstarken eines neuen Antisemitismus geworden sind. Wie schwer ist es, in diesem durch den Terrorangriff der Hamas ausgelösten Konflikt auf dem schmalen Grat zwischen Stereotypen eines israelbezogenen Antisemitismus und einer berechtigten Kritik am Verhalten Israels zu balancieren. Und je länger dieser Krieg dauert, umso schwieriger wird es.

Vor diesem Hintergrund bekommt die prophetische Vision des Propheten Sacharja noch einmal ein anderes Gewicht. Dass die Völker und Bürger vieler Städte und Nationen die Verantwortlichen in der verfahrenen Situation geradezu anflehen, Schritte auf dem Weg zu einem Waffenstillstand, zur Freilassung der Geiseln der Hamas und zum Wiederaufbau des zerstörten Gaza zu gehen, sehen wir beinahe täglich in den Nachrichten. Eine zum Zerreißen angespannte Situation, innerlich wie äußerlich.

Woran Sacharja festhält, fast verzweifelt, so wie man sich an den Zipfel eines Kleidungsstücks hängt, ist aber noch etwas anderes: Gott suchen, Gott anflehen, im Vertrauen darauf, dass trotz allem Augenschein von diesem Volk und seinem Gott Weisung für die ganze Welt ausgeht, eine Weisung, an der sich alle Menschen halten müssen und halten können, Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. 

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