Heftiger Streit

Ein Besuch im Hamburger MARKK: „Benin. Geraubte Geschichte“
Gedenkkopf eines Königs
Fotos: Paul Schimwe/Paul Schimweg © MARKK
Gedenkkopf eines Königs.

Das Museum für Völkerkunde am Rothenbaum übte auf mich als Jugendlicher eine ähnliche Faszination aus wie die Lektüre von Geschichten aus der Südsee. Die vielen Masken mit ihren Schreckensgesichtern, das große Auslegerschiff, das den Stillen Ozean überqueren konnte, das Versammlungshaus Rauru der Maori waren eindrucksvolle Zeugnisse anderer Kulturen.

Dann geriet das Museum aus meinem Blickfeld, mich interessierte mehr die abendländische Malerei. Nur aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass das Museum für Völkerkunde sich 2018 umbenannte: Aus dem „Museum für Völkerkunde“ wurde das „Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt“, abgekürzt MARKK.

Es reagierte damit auf den Umbruch der ethnographischen Museumsszene, der in der Öffentlichkeit vor allem um die Frage der Rückgabe geraubter Kunstwerke aus der südlichen Erdhälfte zentriert war, Stichwort: Rückgabe der Benin-Bronzen. Aber wie ging das MARKK damit um? Es präsentiert eine aktuelle Ausstellung zu dem Thema „Benin. Geraubte Geschichte“. In der Mitte des Ausstellungsraums steht eine Leinwand, auf der ein Film über die koloniale Invasion des Königreichs Benin durch britische Truppen im Jahr 1897 gezeigt wird. Sie führte zu dem Ende eines der mächtigsten westafrikanischen Königreiche. Eine der schlimmen Folgen war die weltweite Verstreuung tausender Objekte aus Bronze, Elfenbein und Holz aus dem königlichen Palast.

Über die Restitution der so genannten Benin-Bronzen wird seit Jahren diskutiert und gestritten. Einige Länder haben Rückgabeverhandlungen mit Nigeria geführt oder sogar schon Verträge über eine bedingungslose Restitution abgeschlossen. Im Dezember 2022 übergaben Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth zwanzig Bronzen aus dem Humboldt-Forum an Nigeria. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg schloss am 16. Dezember 2022 eine Rückgabevereinbarung und gab erste Objekte an Nigeria durch das MARKK-Museum zurück. Um aber die Geschichte des Raubs dieser Kunstwerke und ihrer Restitution zu zeigen, organisierte das Museum eine Gesamtausstellung seiner Benin-Kunstwerke, die bis auf weiteres zu sehen ist. Sie dokumentiert die Vielfalt der ausgestellten Objekte und ihre herausragende künstlerische Qualität. Gedenkköpfe, Zeremonialschwerter, Trophäenköpfe, Reliefplatten mit einer Vielzahl von Figuren. Auffällig ist eine Heilsfigur, die einen Hahn darstellt. In der Legende dazu heißt es, vermutlich weise sie auf die älteste Frau des Hauses hin, die, wie der Hahn, immer am lautesten kräht! Und eine einzige Bronze ist zu sehen, die den gekreuzigten Christus zeigt.

Ein Drittel dieser eindrucksvollen Objekte soll als Leihgaben in Hamburg verbleiben. Zwei Drittel werden demnächst an Nigeria zurückgegeben. Zuletzt gab es Unsicherheit darüber, ob sie dort einen sicheren öffentlichen Ausstellungsort bekommen, da der nigerianische Staat die Bronzen an den Oba (König) von Benin weitergegeben hat, also in Privatbesitz. Das war nicht die Absicht der Restitution durch die Bundesrepublik. Aber so ist es jetzt. Darin ein Scheitern der Rückgabepolitik zu sehen, geht zu weit. Wer sich die Hamburger Benin-Bronzen ansehen will, sollte es schnell tun. Die Ausstellung geht nur noch bis zum Ende des Jahres. 

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Foto: privat

Hans-Jürgen Benedict

Hans-Jürgen Benedict war bis 2006 Professor für diakonische Theologie an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie des Rauhen Hauses in Hamburg. Seit seiner Emeritierung ist er besonders aktiv im Bereich  der Literaturtheologie.


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