Natürlich ist Lord Jim kein wirklicher Lord. Aber er ist ein sympathischer junger Mann, der in seiner Kindheit und Jugend von Abenteuern geträumt hat, die er als Held bestehen würde. Als er dann als Erster Offizier auf einem Dampfer fahren kann, ist’s ein Seelenverkäufer, der achthundert Pilger von West nach Ost nach Arabien bringen soll. Der Kapitän und die Ingenieure sind verlotterte Gestalten. Das Schiff schlägt leck. Es wird sinken, das scheint unvermeidlich, und Jim springt, betäubt von dieser vermeintlichen Unvermeidlichkeit, zu den anderen drei Schurken ins Rettungsboot und überlässt mit ihnen die Pilger dem scheinbar sicheren Tod.
Doch ein französisches Kanonenboot schleppt das Wrack ab; es fällt nicht auseinander, der Kapitän und die Ingenieure verschwinden, anstatt sich vor Gericht zu verantworten, nur Jim bleibt. Das alles wissen wir von dem Ich-Erzähler Kapitän Marlow, der nur über Begegnungen mit Jim und dessen Seelenzustand sprechen kann. Denn Jim wird ganz offensichtlich nicht damit fertig, dass er kein Held, sondern ein Versager war. Sein Leben endet nach Jahren, als er in abgelegener Südseegegend eine großartige Stellung unter dortigen Eingeborenen gefunden hat – er wird erschossen, als er wieder mal die Chance gehabt hätte zu entkommen. Die Moral von der Geschicht: Jim hat es am Ende doch geschafft, sich von dem, was er als seinen Fluch begriffen hat, zu befreien.
Dem Hörspiel gelingt es gut, diesen komplexen Stoff umzusetzen: indem nämlich nur Textstellen mit unterschiedlicher Rollenbesetzung in sehr gelungener Kürzung vorgetragen werden. Sicher der einzige Weg, diesen Roman zu einem hörenswerten Hörspiel zu verarbeiten.
Helmut Kremers
war bis 2014 Chefredakteur der "Zeitzeichen". Er lebt in Düsseldorf. Weitere Informationen unter www.helmut-kremers.de .