Achtung, es wird heiß. Sehr heiß und feucht. Denn es geht um Transpiration und Inspiration für einen attraktiven Gottesdienst – und dazu muss man in die Sauna gehen. Und man sollte unbedingt einen Aufguss nicht versäumen. Denn es ist ja so: Während die Kirchenbänke immer leerer werden, wird es kurz vor der Zeremonie auf den Sauna-bänken immer richtig eng. Dabei ist das, was kommt, gar nicht angenehm. Man weiß das und atmet nochmal ein paar Züge der frischen Luft ein, die durch die offene Tür strömt. Aber dann ist Schluss: Die leicht bekleidete Priesterin tritt in die Mitte der Nackten, schließt die Tür und sagt streng, dass in den nächsten Minuten keiner mehr den Raum verlassen darf. Aber aus der Sauna will auch niemand raus, jeder wartet nur darauf, das Ritual zu erleben. Es zischt und dampft, Hitze wird hörbar, spürbar sowieso (puuuh!!!) und sie ist auch zu riechen.je nachdem, welches Aromaöl die Zeremonienmeisterin ausgewählt hat. Das ist ein viel intensiveres Erlebnis als das Gluckern der Zentralheizung im Kirchenschiff.
Doch dann geht es richtig los. Statt zu predigen werden Tücher geschwungen. Nun sorgen bei gestanden Protestanten Tücher schwingende Frauen im Gottesdienst eher für Fluchtreflexe. In der Sauna haben sie aber etwas Spirituelles. Männliche Bademeister gibt es übrigens auch, aber – sorry – bei Frauen sieht das irgendwie besser aus. Wobei man die Augen ja immer wieder schließen muss, wenn einem der heiße Wind ins Gesicht gewedelt wird. Wenn der Heilige Geist im Gottesdienst doch auch mal so wehen würde. Aber wahrscheinlich ist es dafür in den Kirchen einfach zu kalt. Oder man hat zu viel an. Am wahrscheinlichsten aber ist: Es wird in den Kirchen viel zu viel geredet. Denn das ist die wahre Besonderheit eines Aufgusses: Wo sonst sitzen in dieser plappernden und klingeltönenden Welt ein oder zwei Dutzend Menschen zusammen und schweigen über mehrere Minuten miteinander? Da muss man schon zum Retreat ins Kloster fahren.
Aber zurück zum Ausgangspunkt und zur Frage, was man aus alldem für den Gottesdienst lernen kann. Zunächst einmal, dass Kirchen gut geheizt sein sollten. Und dass es in einer evangelischen Kirche gut riechen sollte – es muss ja nicht unbedingt Weihrauch sein, der die Räume aromatisiert. So kleine Orangenstücke, die man nach dem Aufguss bekommt, wären zwischendurch auch nett, aber keine Pflicht. Wichtig hingegen: Nicht so viele Worte machen, etwas mehr Schweigen und mehr Körperlichkeit täten unserer leibfeindlichen und redeverliebten Kirche gewiss ganz gut. Wobei das auch seine Grenzen hat. Ich möchte jedenfalls niemals eine Pfarrerin oder einen Pfarrer im Talar handtuchwedelnd im Altarraum sehen. Womit wir bei der Frage sind, wie wir es überhaupt halten wollen, mit der Kleidung. Bademäntel? Badelatschen? Hmm – schwierig, darüber denke ich später nach. Jetzt ist es Zeit für die kalte Dusche...
Stephan Kosch